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Der Karren muss aus dem Dreck gezogen werden, aber: Wie staatstragend sind die einstigen Volksparteien noch?

Thema: Erfolgreiche Sondierungen zwischen CDU/CSU und SPD – Ein kleiner Schritt mit enormen Konfliktpotenzial ist gemacht. Es werden keine einfachen Verhandlungen.

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Nach dem ewigen Zank der Ampel kommt jede politisch-lautlose Kompromissfindung einem Wunder gleich – ist sie aber nicht. Deshalb können und dürfen die Erfolge der Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU und SPD nicht als der große Wurf bewertet werden. Sie sind lediglich ein erster, mühsamer Schritt Richtung Koalitionsgespräche – mit weiterhin vielen unbeantworteten Fragen und reichlich Konfliktpotenzial.

Unter dem Druck der geopolitischen Entwicklungen hat es Schwarz-Rot – und nicht die GroKo, denn von solchen Zustimmungswerten sind alle drei Parteien weit entfernt – zuvorderst geschafft, sich beim Thema Finanzen und damit in puncto Infrastruktur zu einigen: Die von CDU/CSU im Wahlkampf nicht zur Debatte stehende Reformation der Schuldenbremse und ein gigantisches Sondervermögen sollen kommen. Wohlgemerkt: Letzteres aus den bestehenden Haushaltsmitteln, kein zusätzliches.

Ein unumgängliches Vorhaben, das unausweichlich auf Widerstand stößt: Horst Seehofer, Bundesinnenminister a. D., nutzt die Gunst der Stunde, um seine persönliche Fehde mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder fortzusetzen. Er wirft den Unionsparteien Wortbruch aufgrund der Aufweichung der Schuldenbremse und Versagen aufgrund des zweitschlechtesten Bundestagswahlergebnisses der CDU/CSU vor. Ein kleiner Wermutstropfen auf dem Weg zur nächsten Bundesregierung. Zumindest das wird Söder gelassen hinnehmen können.

Vorstellungen von Schwarz-Rot und Grün gehen weit auseinander

Unbehagen werden ihm und Merz eher die Grünen bereiten. Sie kritisieren die Verschiebung bestehender Haushaltsmittel in das Sondervermögen für Infrastruktur, das Klima- und Umweltprojekte vollständig vernachlässige. Obendrein würden mit der Ausweitung der Mütterrente oder der Absenkung der Mehrwertsteuer Schulden für künftige Generationen aufgetürmt, denen kein Mehrwert gegenüberstehe. Kurzum: Die Vorstellungen, wie Schulden gewinnbringend für den Großteil der Bevölkerung aufgenommen und investiert werden, gehen zwischen Schwarz-Rot und Grün weit auseinander.

Auch in migrationspolitischen Fragen visieren Schwarz-Rot und Grün verschiedene Richtungen an. Die Noch-Regierungspartei bezeichnet die Vorhaben der selbsternannten „Kleinen Koalition“ als „unmenschlich“ und „gefährlich“. Obendrein sei die innenpolitische Marschroute mit Blick auf Europa ein „enttäuschendes“ Konzept, das „keinen Gestaltungsanspruch, keine Ideen, keinen Binnenmarkt, keinen Green Deal“ anbiete. Die Parteilinke hat offenbar nach den Abtritten von Annalena Baerbock und Robert Habeck wieder das Sagen.

„Die nächste Regierung muss den Karren aus dem Dreck ziehen. Gelingt ihr das nicht, könnte womöglich spätestens 2029 eine braune Kanzlerin oder Kanzler die Republik regieren. Das kann kein Demokrat wollen.“

Noch ungeklärte Konfliktfelder

  • wie Einsparungen im Haushalt,
  • wie es mit dem Gebäudeenergiegesetz weitergeht,
  • wie hoch das Rentenniveau gesichert werden soll,
  • wie sich die Außen- und Sicherheitspolitik, die innere Sicherheit und die Befugnisse von Polizei und Verfassungsschutz gestalten sollen,
  • ob die stillgelegten Atomkraftwerke weiterbetrieben werden,
  • ob das Wahlrecht re-reformiert werden muss
  • und wie es mit dem Deutschlandticket weitergeht, – um nur einige zu nennen –

könnten eine Zusammenarbeit im alten Bundestag für die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit, um im neuen Bundestag einer Sperrminorität von AfD und Linken zu entgehen, zudem erschweren.

Einfacher geworden sind die Verhandlungen durch die erfolgreichen Sondierungen nicht. Die nächsten Tage und Wochen werden darüber entscheiden, wie staatstragend die einstigen Volksparteien CDU/CSU und SPD sind – und wieweit sich die Grünen zum Kompromiss fürs Wohl des Landes bewegen lassen. Klar und alternativlos ist allerdings: Die nächste Regierung muss den Karren aus dem Dreck ziehen. Gelingt ihr das nicht, könnte womöglich spätestens 2029 eine braune Kanzlerin oder Kanzler die Republik regieren. Das kann kein Demokrat wollen.

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