Der Fehler im System
Thema: Die geplante Rodung der Baum-Allee an der Resthauser Straße in Cloppenburg: Wie die Allee unter die Räder der Politik geriet...
Hubert Kreke | 13.08.2020
Thema: Die geplante Rodung der Baum-Allee an der Resthauser Straße in Cloppenburg: Wie die Allee unter die Räder der Politik geriet...
Hubert Kreke | 13.08.2020
Plötzlich sind alle Parteien wach geworden, selbst jene, die im Kreistag ein Straßenbau-Projekt durchgewunken haben, das nun alle entsetzt. Klar: Die Abholzung der Eichenallee an der Resthauser Straße wäre ein Frevel, unnütz und schädlich. Aber es ist keine Überraschung, dass diese politische Vorentscheidung zustandegekommen ist, ohne die Folgen für die Natur, das Landschaftsbild und damit letztlich für uns alle vorher zu bedenken. Denn der Fehler liegt im System. Straßenplaner folgen noch immer der alles überragenden Maxime von der "Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs", die löblich klingt, aber letztlich dem Vorrang des motorisierten Verkehrs (vor jedweder Form von Natur) huldigt. Wenn‘s keine Gefahrenstelle gibt, wird auf dem Prinzip herumgeritten, bis es passt: Es könnten sich ja ein Mähdrescher und ein Lastwagen auf der schmalen Strecke begegnen. Na und? Auf einer langen Geraden mit mehreren Ausfahrten gut belastbarer Siedlungsstraßen und Wirtschaftswege gibt es genügend Ausweich- und Wartemöglichkeiten, ohne zwangsläufig eine Eiche oder den Gegenverkehr rammen zu müssen. Aber das verträgt sich eben nicht mit der schon zitierten"Leichtigkeit des Verkehrs". Stattdessen gilt offenbar noch immer der platte Solgan "Freie Fahrt für freie Bürger", der selbst seinem Erfinder, dem ADAC, heute peinlich ist. Dies alles hätten die beteiligten Politiker im Kreistag durchaus erkennen können, wenn sie nicht in mehrere Fallen gleichzeitig getappt wären: Die unnütze Rodung als zwingende Konsequenz der ebenso unnötigen Verbreiterung der Fahrbahn versteckt sich in einem vom Land geförderten Ausbau-Programm, das en bloc und offenbar weitgehend ungeprüft verabschiedet worden ist. Die zwingend nötige Folgenabschätzung soll nun ausgerechnet die Straßenbaubehörde der Politik abnehmen. Technisch betrachtet bestimmt eine gute Idee, politisch aber eine Selbstaufgabe, weil die bereits beschriebene Maschinerie ihren eigenen Gesetzen folgt: Der Auftrag ist erteilt und wird ausgeführt. Selbst wenn in der Straßenbaubehörde eine Naturschützerin den Wert der Eichenallee hoch einstuft, heißt das nicht, dass das Vorhaben abgeblasen wird, sondern nur, dass ein fragwürdiger "Ausgleich" geschaffen werden muss. Zum Beispiel die Aufforstung eine Brachfläche irgendwo im Nirgendwo. So wird Landschaftszerstörung ganz offiziell zu einer Landschaftsverlagerung umgewidmet - eine technokratische Bilanzrechnung, die mit der Situation am Ort der Abholzung überhaupt nichts zu tun hat. Auf die letzte Falle hat die Kreisverwaltung gerade in schöner Offenheit selbst verwiesen: Die Straße müsse ja um einen Meter verbreitert werden, weil es sonst keinen Zuschuss des Landes gebe zur Verbreiterung. Eine derart dürftige „In-sich-Begründung“ nennt die Logik einen "Zirkelschluss": Weil etwas bezahlt wird, ist es nötig, da es sonst nicht bezahlt würde. Kein "Geschenk" kann jedoch groß genug sein, absehbaren Unfug zu rechtfertigen. Immerhin: Eine politische Umkehr ist jetzt in Sicht. Unter dem Eindruck des großen öffentlichen Protestes nach der Veröffentlichung in der MT will die von Bedauern geplagte Kreisverwaltung dennoch nach "Alternativen" zur Rodung suchen. Wozu? Es reicht, die Verbreiterung der Fahrbahn zu kippen. Der Kreistag muss sich obendrein grundsätzlich überlegen, ob er weiter nach dem Muster verfährt, Generalaufträge zu erteilen, die den Verlust an Natur und Landschaftscharakter praktisch miteinschließen. Eine solche Systematik gehört auf den Abfallhaufen eines technokratischen Zeitalters. Politik muss Werte schützen.
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