Schon seit 1956 der Roman „Die Körperfresser kommen“ erschien, ist klar: Außerirdische laufen als Menschen getarnt mit großen Kapseln unter dem Arm durch die Gegend. Diese legen sie neben die Häuser von Normalsterblichen ab, welche über Nacht in Außerirdische transformiert werden. Die Menschheit hat praktisch keine Chance.
Und es sind ja noch weitere Bedrohungen dazugekommen: Flugzeuge sprühen Chemikalien auf uns herab und in Politikern verstecken sich Reptilien, die nachts Kinderblut trinken und uns alle unter dem Vorwand von Corona-Impfungen chippen lassen. Das ist (Vorsicht: Ironie!) die Lage.
Neulich bei einer sonntäglichen Wanderung durch das schöne Allgäu machten meine Frau und ich Station in einem Dorfgasthaus, das wir kannten. Allein, es war „geschlossene Gesellschaft“, die wir durch die Glasfront von draußen beobachten konnten. „Es geht da herinnen um Transhumanismus und Zeitlinien-K.I“, sagte mit leisem Stolz die schwäbische Wirtin, als sie uns den Kaffee brachte. Rund 50 Bürger lauschten einem Referenten, der mit seinen langen Haaren, Dreitagebart und gelbem Halstuch deutlich hipper und auch jünger wirkte als sein Publikum.
„Auf der Leinwand blitzten ein Foto von Karl Lauterbach und das Stichwort Impfstoff auf, und wir dachten schon „Aha, Corona-Schwurbler“, aber dann wurde klar: Hier ging es um viel mehr.“
Auf der Leinwand blitzten ein Foto von Karl Lauterbach und das Stichwort Impfstoff auf, und wir dachten schon „Aha, Corona-Schwurbler“, aber dann wurde klar: Hier ging es um viel mehr. Die Gäste, den Kennzeichen nach meist aus der Region, aber auch aus der Schweiz, München und sogar Berlin, wurden informiert, dass im Genfer Kernforschungszentrum mit Hilfe von „Micro Schwarzen Löchern“ bereits an Zeitreisen der elften Dimension gearbeitet wird, und zwar nach der „Gravity-Rainbow-Theorie“.
Außerdem, dass gerade eine „galaktische Polumkehr“ stattfindet. Die Bewegung nannte sich, war zu lesen, „guardians of looking glass“, also „Wächter des Spiegels“. „Wir werden gewinnen, aber wir müssen unsere Botschaft verbreiten“, schwor der Hippie die Runde ein. Das alles für nur 75 Euro Kursgebühr pro Nase, macht schätzungsweise rund 2500 Euro für den Referenten und 500 Euro sowie die Verzehreinnahmen für die schwäbische Wirtin, die beide damit schon mal als Erste gewonnen hätten.
Ich machte mir gerade Notizen, als sich einer der Zuhörer umdrehte und uns scharf musterte. Da zahlten wir lieber und suchten das Weite. Das würden wir auch allen Leserinnen und Lesern raten: Sobald so ein „Erleuchteter“ vor Ihnen steht, mit oder ohne Kapsel unter dem Arm und mit welcher Verschwörungstheorie auch immer: Nichts wie weg!
Zur Person:
- Der Lohner Werner Kolhoff hat für den Berliner Tagesspiegel und Zeitung gearbeitet, war Sprecher des Berliner Senats und leitete ein Korrespondentenbüro.
- Heute ist er in Berlin als politischer Kolumnist tätig.