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Ruiniert: Die Kirchengemeinde St. Andreas verbaut sich ihre Zukunft

Gottes vermeintlicher Stellvertreter auf Erden, die katholische Kirche, verliert trotz etlicher Skandale immer weiter an Bodenhaftung. Das lässt sich besonders gut in Cloppenburg beobachten.

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Der sexuelle Missbrauch, die Verurteilung von Homosexualität, die untergeordnete Rolle der Frau, Straftaten unter Würdenträgern und, und, und: Die Liste der Skandale in der katholischen Kirche ist lang.

Die Versprechen, also Worte, mit all den Missständen aufzuräumen, waren stets groß. Genauso wie die gespielte Demut der Kirche. Denn was die Konsequenzen, also Taten, betrifft, warten noch immer etliche Geschädigte auf eine Antwort. Doch wie sagte schon Matthias Claudius: „Beurteile einen Menschen lieber nach seinen Handlungen als nach seinen Worten; denn viele handeln schlecht und sprechen vortrefflich.“

65.000 Euro für einen behindertengerechten Eingang

Wasser predigen und Wein saufen: Das hat in der katholischen Kirche leider eine längere Tradition. Als Paradebeispiel für die verzerrte Wirklichkeit, in der manch hoher Geistlicher sein Unwesen trieb, ist wohl bis heute der Protzbischof Franz-Peter Tebartz-van Elst zu nennen. Der mittlerweile als Förderer der Neuevangelisierung im Päpstlichen Rat des Vatikans tätige einstige Limburger Bischof hatte mit seiner goldenen Badewanne und weiteren kostspieligen Renovierungen in seiner Residenz die Massen empört. Die Konsequenz? Eine Beförderung nach Rom. Warum steht es bloß so schlecht um die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche?

Ähnliche Muster lassen sich nicht nur in weit entfernten Orten oder in der großen Parallelwelt des Vatikans beobachten, sondern auch vor Ort im beschaulichen Oldenburger Münsterland. Dort wurde beispielsweise im November 2019 ein behindertengerechter Eingang für die Cloppenburger St.-Andreas-Kirche fertiggestellt. Was nach einem löblichen Vorhaben klingt, ist in Wahrheit ein weiteres Paradebeispiel, wie schön die Kirche wegen ihrer Menschlichkeit Wind von sich macht. Denn: Die Maßnahme war nicht nur längst überfällig, sie hat auch eine Summe gekostet, die biblischen Ausmaßes war. Satte 65.000 Euro mussten für die neue Treppenanlage herhalten. In Worten: Fünfundsechzigtausend. Für ein neues Geländer, eine Rollstuhlrampe, Sensoren zur automatischen Türöffnung und eine "Neugestaltung des Treppenaufzuges". 

"Koste es, was es wolle. Womöglich weitere Kirchenmitglieder, die ob der protzigen Bauten rund um das Gebäude, in dem Demut gepredigt wird, keine Lust mehr haben auf Scheinheiligkeit."

Als wäre das nicht genug, legte die katholische Kirchengemeinde in Cloppenburg erst kürzlich nach; indes hatte die Zahl der Kirchenaustritte einen neuen Rekord erreicht. Das prunkvolle, übersättigte Abgekapselt-Sein der alten weißen Männer in Rom soll nun offenbar auch Einzug im einst beschaulichen Krapendorf halten. Mit schlappen 13 Millionen Euro nimmt das „kleine Dorf“ rund ums Kirchenschiff langsam Gestalt an. Vatikan light im Oldenburger Münsterland mit einem Pfarrheim, das fortan als Begegnungsstätte dienen soll für den Austausch kirchlicher und gesellschaftlicher Themen. Ein „Bindeglied“ zwischen Wirklichkeit und Kirche, das mal eben 3,2 Millionen Euro kosten soll. Klar: Die Materialengpässe haben manche Baukosten in die Höhe getrieben. Aber. Drei-Komma-zwei-Millionen Euro? Für ein Pfarrheim? Oh, mein Gott.

Die anderen Gebäude werden natürlich auch teurer. Wer etwas hermachen will, muss sich das auch kosten lassen. Nobel geht die Welt zugrunde. Und da die Beratungsstellen, die zurzeit noch in anderen, nicht-maroden Gebäuden hausieren, irgendwie zusammengeführt werden sollen, ist der Bau des Vikar-Henn-Hauses natürlich unumgänglich. Genauso wie das neue Medienzentrum, von dem keiner weiß, wer es wie nutzen soll. Und das bestehende Büchereigebäude? Wird natürlich abgerissen, weil "bauphysikalisch ungeeignet".

Logisch, aus Alt mach Neu. Koste es, was es wolle. Womöglich weitere Kirchenmitglieder, die ob der protzigen Bauten rund um das Gebäude, in dem Demut gepredigt wird, keine Lust mehr haben auf Scheinheiligkeit. Man kann es ihnen nicht verübeln.

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