Hering, Affen, Backfisch-Hüte: Auf dem Thomasmarkt vor 100 Jahren
Kolumne: Über die faszinierenden Angebote des Vechtaer Thomasmarktes und anderer lokaler Anbieter vor 100 Jahren.
Christian Bitter | 23.10.2025
Kolumne: Über die faszinierenden Angebote des Vechtaer Thomasmarktes und anderer lokaler Anbieter vor 100 Jahren.
Christian Bitter | 23.10.2025

Dass seit einiger Zeit Teile des OV-Archivs sauber gescannt und kostenlos im Internet zur Verfügung stehen, erfrischt den gemeinen Heimatforscher: Zur Stunde liegen die Jahrgänge 1896 bis 1932 parat und machen deutlich, dass die damalige OV für eine Leserschaft schrieb, die eine bemerkenswerte Identifikation mit ihrem Landstrich an den Tag legte. Die Rezipienten von damals verstanden sich als stolze Einwohner des oldenburgischen Münsterlandes und lasen ein konservatives, katholisches, wunderlich provinzielles Blatt, das im Untertitel seines Logos selbstbewusst als „Tageszeitung für das Oldenburger Land“ auftrat. Anlässlich des Thomasmarktes wagte ich vorgestern einen Blick zurück in die Ausgaben vom Oktober 1925. Darin findet sich neben dem Durcheinander internationaler Themen wie Locarno, Rifkrieg und 25 Jahre deutscher Fußballbund ein einziger regionaler Schwerpunkt – das kleine Vechtaer Oktoberfest, das damals „Michaelismarkt“ hieß und eine verblüffende Attraktivität von Damme bis Barßel ausstrahlte. „Der Thomasmarkt war schon immer etwas Besonderes – heute wie vor 100 Jahren.“ Die Redaktion legt bereits in den ersten lokalen Zeilen den Besuch in Vechta nahe und lobt unter anderem „das Uehrsche Affentheater, welches zurzeit in Oldenburg das Tagesgespräch ist“ sowie den Viehmarkt, zu dem „80 Stück Rindvieh, 600 Schweine und einige Pferde“ erwartet werden. „Bei einigermaßen günstigem Wetter sind Kirmes und Markt sicher gut besucht“, frohlockt die OV. Das Friesoyther „Putzgeschäft Geschwister Rolfes“ inseriert in derselben Ausgabe „Damen-Backfisch-Hüte zu billigsten Preisen“, Maaß aus Vechta bewirbt top-moderne Handtaschen, die ganz zeitgemäß „Party-Cases“ heißen und Stellmanns Lichtspiele aus Ramsloh preisen etwas unpassend die Ausstrahlung eines Lustspiels namens „Der müde Theodor“ an. Fortmann aus Vechta empfiehlt preiswertesten Dujardin, Christel Sturm veräußert „große Salzheringe“ zum Kracherpreis von 5 Pfennig und Melchers lädt zum „großen Ball mit der Braun'schen Kapelle“ und reichlich Mockturtle. Dazu passen moderne „Gamaschen, gut und billig“ von Hermann Giese aus Nellinghof oder ordentliche „Herren-Gummimäntel“ von Postmeyer zu Twistringen. Erstaunlich ist das Angebot des Norddeutschen Lloyd, der über sein Reisebüro Fritz Börger in Damme eine „Kreuzfahrt im Salondampfer über Madeira, Teneriffa und Malaga nach Lissabon zum Fahrpreis von 1200 Reichsmark und höher“ bietet. Der Thomasmarkt war schon immer etwas Besonderes – heute wie vor 100 Jahren.Zur Person:
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