N wie Nordpol, A wie Anton, Z wie Zeppelin und I wie Ida ... Wer diese veraltete Version der Buchstabiertafel verwendet, übernimmt (hoffentlich) unbewusst die Version des nationalsozialistischen Regimes von 1934. Das hat mich kürzlich die Lektüre des Buches "Verbrannte Wörter: Wo wir noch reden wie die Nazis – und wo nicht" gelehrt. "1934 wurde auch das Alphabet entjudet. Ein zutiefst absurder Vorgang, denn das Alphabet an sich ist eine semitische Erfindung", schreibt Autor und Journalist Matthias Heine.
Das hielt das Berliner Postministerium damals anscheinend nicht davon ab, biblische Namen, die als jüdisch aufgefasst wurden, zu ersetzen. Aus David wurde Dora, aus Jacob wurde Jot, aus Nathan wurde Nordpol, aus Samuel wurde Siegfried und aus Zacharias wurde Zeppelin. Als würde das nicht ausreichen, wurde aus Katharina der Kurfürst, aus Ökonom die Öse und aus dem Überfluss wurde Übel. Klingt auch übel?
„Wer die Buchstabiertafel nutzt, macht das überraschenderweise jedoch nicht zwingend nach aktuell geltender Norm.“
Fenja Hahn
Noch kurioser wird es nur, wenn man liest, dass sogar der NSDAP-Anhänger und Antisemit Jakob Sprenger sich beschwerte, war doch auch sein Name von der Zensur betroffen. Ä stand schließlich für Ärger. Wem das an Aberwitz noch nicht ausreicht, erfährt aus dem Buch, dass der Vorschlag auf eine Postkarte von Joh. Schliemann an das Postamt Rostock zurückgeht. Sein Vorname wurde in den Akten stets abgekürzt – Johann oder Johannes gehen auf das alttestamentliche Iochanan zurück und waren damit "jüdische Namen".
Nun steht Ä für Änderung. Erst in diesem Jahr erschien die Neufassung mit dem klangvollen Namen "DIN 5009:2022-06" und Albert, David, Nathan und Co. kehrten offiziell ins Buchstabieralphabet zurück. Samuel und Zacharias hatten es bereits nach dem Ende der Nazi-Herrschaft wieder reingeschafft. Wer die Buchstabiertafel nutzt, macht das überraschenderweise jedoch nicht zwingend nach aktuell geltender Norm. Dabei trifft es Matthias Heine auf den Punkt: "Wer Siegfried sagen will, wird dadurch nicht zum Nazi."
„Meine steile These ist, dass nur Ü-50-Jährige noch so buchstabieren und U-30-Jährige damit nur mehr verwirren.“
Fenja Hahn
Trotzdem kann ein wenig Geschichtsbewusstsein und Lektüre nie schaden. Gerade wenn es um das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte, sprich die N wie Nathan, A wie Albert, Z wie Zacharias, I wie Ida und S wie Samuel geht. Ganz zu schweigen davon, dass meiner Meinung nach niemand im Jahr 2022 eine Buchstabiertafel braucht. Denn ursprünglich war sie Anfang des 20. Jahrhunderts als Hilfe eingeführt worden, weil die Tonqualität beim Telefonieren so schlecht war. Dieses Problem sollte mittlerweile behoben sein.
Meine steile These ist, dass nur Ü-50-Jährige noch so buchstabieren und U-30-Jährige damit nur mehr verwirren. Ich für meinen Teil schalte zumindest ab, wenn jemand mit "G wie Gustav" zu buchstabieren beginnt. Apropos: Gustav hat es ebenso wie Emil, Otto, Xanthippe und ein paar weitere Auserwählte geschafft, alle Versionen zu überdauern. Viel Glück dabei, Xanthippe zu buchstabieren!
Zur Person: