Die Baubranche ist traditionell eine männlich dominierte Domäne. Frauen sind in den Spitzenpositionen immer noch eher selten anzutreffen, nur 5 Prozent von ihnen sind selbstständig. Eine der prominenten Persönlichkeiten aus dem Oldenburger Münsterland, die zeigt, dass es auch anders geht, ist Doris Pöhler. Gemeinsam mit ihrer Schwester Beate Richter leitet sie seit 2006 die „Vossmann Bau GmbH“ in Garrel. „Eigentlich haben meine Schwester und ich schon immer alles zusammen gemacht, das hat sich bis heute nicht geändert, wir sind unzertrennlich. Wer uns kennt, weiß das“, erzählt Pöhler über ihre innige Bindung. „Wir sind halt die Vossmann-Mädchen, der Name ist uns all die Jahre geblieben, obwohl wir beide schon mehrere Jahrzehnte verheiratet sind und jeweils einen anderen Nachnamen tragen.“
Wenn Doris Pöhler über die Bauwirtschaft spricht, merkt man: Diese Frau brennt für ihren Beruf – und das, obwohl sich die Branche immer wieder mit Höhen und Tiefen konfrontiert sieht. Dabei war der Weg bis zum Erfolg auch mit Hindernissen gepflastert, vor allem die Anfänge gestalteten sich als schwierig. Die 58-Jährige erinnert sich: „Die Firma Vossmann Bau GmbH wurde 1971 von unserem Vater direkt nach seiner Meisterprüfung gegründet, zunächst nur mit zwei Mitarbeitern, doch der Betrieb mauserte sich in den Jahren stetig.“
Sie sollte eigentlich Architektur studieren
Früh, und zwar schon in der Kindheit, entwickelte sich bei der gebürtigen Garrelerin der Wunsch, Maurerin zu werden, „so wie Papa“. Doch ihre Eltern überzeugten sie davon, das Fachabitur abzulegen, statt direkt in die Lehre zu gehen – mit dem Hintergedanken, „dass ich Architektur studieren soll, immerhin war ich ja ein Mädchen. Für mich gab es aber immer nur das eine Ziel“, betont Pöhler, die mit ihrem Ehemann Thomas Pöhler in Cloppenburg lebt. Doch mit so viel Gegenwind während der Ausbildung hatte sie nicht gerechnet. „Ich war eine Tabubrecherin“, sagt die Mutter einer 30-jährigen Tochter, die sich ebenfalls beruflich für die Baubranche entschieden hat.
„In der Berufsschule war ich die einzige Frau in der Klasse“, erinnert sich die Cloppenburgerin. Sprüche wie „Von Beruf Tochter“ oder „Hast du das mit den drei Ks: Küche, Kirche, Kinder nicht verstanden“ seien noch die harmloseren Beispiele gewesen, die sie regelmäßig zu hören bekam. „Es gab aber auch Mitschüler, die mich ohne Wenn und Aber akzeptiert haben.“
„Natürlich habe ich es in meinem Berufsalltag mehr als einmal erlebt, dass Dritte mich nicht einordnen konnten.“
Doris Pöhler
Nachdem sie die Ausbildung zur Maurerin erfolgreich absolviert hatte, folgte gleich die nächste, die der Bauzeichnerin, „zudem habe ich noch eine Weiterbildung zur Konstruktionszeichnerin gemacht“. Im Mai 2000 legte sie ihre Meisterprüfung als Mauer- und Betonbaumeisterin ab – als erste Frau im Handwerksbezirk. Sechs Jahre später übernahm sie zusammen mit ihrer Schwester Beate den Betrieb des Vaters. Eine Entscheidung, die Doris Pöhler nie bereut hat.
Dass die Firma von zwei Frauen geführt wird, „hat noch nie wirklich zu Problemen geführt. Natürlich habe ich es in meinem Berufsalltag mehr als einmal erlebt, dass Dritte mich nicht einordnen konnten. Erst recht, wenn ich als Frau auf die Baustelle komme und dann auch noch Aufgaben verteile oder gar Anordnungen gebe“, sagt sie und erzählt von dem oft gehörten Satz „Kann ich mal den Chef sprechen?“, wenn sie als Beraterin, Verhandlungspartnerin oder Firmenleiterin Kunden oder Geschäftspartnern gegenübergetreten ist. Insbesondere „Mann“ erwarte einen Mann, wenn es ums Bauen geht. „Wenn es dann im Gespräch aber erst einmal ums fachliche Detail geht, spielt mein Geschlecht keine Rolle mehr.“
Als Frau im Handwerk müsse man sich aber dennoch immer wieder aufs Neue beweisen und zeigen, dass man weiß, wovon man spreche. „Heute habe ich aber eine ganz andere Gelassenheit“, erklärt Pöhler, die seit 10 Jahren zum Vorstand der Handwerkskammer Oldenburg gehört, zu Beginn als erste Frau. Zudem ist sie seit 20 Jahren Mitglied der Kreishandwerkerschaft und in der Innung tätig; im Berufsbildungsausschuss der Handwerkskammer wirkt sie ebenfalls mit, und: „Seit Januar dieses Jahres bin ich Ehrenrichterin beim Arbeitsgericht in Oldenburg.“ Diese Ehrenämter könne sie aber nur übernehmen, „weil meine Schwester Beate mir gemeinsam mit ihrem Mann Thomas in der Firma den Rücken frei hält. Privat werde ich bedingungslos von meinem Ehemann unterstützt“.
Mehr Frauen in der Bauwirtschaft würden der Branche nach Ansicht von Doris Pöhler auf jeden Fall guttun. „Weibliche und männliche Handwerker schließen sich in ihren Eigenschaften als Handwerkerinnen oder Handwerker und in ihrem Arbeits- und Führungsverhalten nicht aus, sondern sie ergänzen sich. So profitieren am Ende alle Beteiligten im Unternehmen. Gemischte Teams sind nachweislich zufriedener, innovativer, kreativer und damit auch leistungsbereiter. Nur so können wir unsere Unternehmen fit für die Zukunft machen“, ist die 58-Jährige überzeugt, die es als großen Vorteil ansieht, dass sie Plattdeutsch spricht. „Plattdeutsch öffnet einem viele Türen.“
Hintergrund:
- Die OM-Medien zeichnen 2024 zum dritten Mal eine Entscheiderin aus dem Oldenburger Münsterland, die in besonderer Weise die gesellschaftliche Entwicklung vorantreibt, mit dem Award „OM-Zukunftsmacherin“ aus.
- Unterstützt wird das Projekt OM-Zukunftsmacherin dabei von den Firmen Südbeck, Pöppelmann, Grimme, Bergmann, Wernsing, Zerhusen und der LzO.
- Gekürt wird die Preisträgerin von einer Jury. Ihr gehören Silvia Breher (CDU-Bundestagsabgeordnete, Lindern), Christine Grimme (Grimme Gruppe, Damme), Tanja Sprehe (Bereichsleiterin Marketing & Innovation, Pöppelmann, Lohne), Dr. Jutta Middendorf-Bergmann (Ludwig Bergmann GmbH, Goldenstedt) und Annette Vetter (Leiterin Bereich Personal, Landessparkasse zu Oldenburg) an. Für OM-Medien ist die stellvertretende Chefredakteurin Anke Hibbeler dabei.
- Die Auszeichnung findet am 23. Mai im OM-Medienhaus in Emstek statt. 2022 vergab unsere Jury den Award an Sarah Dhem aus Lastrup; 2023 an Marion Schouten aus Cloppenburg.
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