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Früher war mehr Work-Life-Balance

Kolumne: Notizen aus dem wahren Leben – Man hört es ziemlich oft: „Früher wurde noch richtig gearbeitet.“ Aber stimmt das eigentlich?

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Irgendwie hört man es ziemlich oft: Die Jugend von heute will nicht mehr richtig arbeiten. Nur noch Work-Life-Balance im Kopf. Sabbatical – also Auszeit – hier, am liebsten eine 4-Tage-Woche da, und jeden Abend Yoga. Wir Älteren nicken dann oft wichtig, rollen mit den Augen und sagen: „Früher wurde noch richtig rangeklotzt!“

Aber ganz ehrlich – wenn ich mich so zurückerinnere, stimmt das mit dem „Früher wurde bis zum Umfallen gearbeitet“ eigentlich? Wenn ich an meine Eltern und Großeltern denke, die unsere Läden seit Jahrzehnten aufgebaut haben, muss ich sagen: Die hatten in mancher Hinsicht eigentlich mehr Work-Life-Balance als wir heute.

Damals gab es verbindliche Ladenöffnungszeiten, da war es ganz normal: Mittags wurde der Laden einfach zugemacht. Keine Diskussion. Da wurde gekocht, gegessen, danach ein Cognac – und dann, das Highlight: Mittagsschlaf. Heute nennt man das „Selfcare“ oder „Powernap“, damals war es einfach selbstverständlich – mit vollem Bauch rauf aufs Sofa, Zeitung auf den Kopp, und eine Stunde schlafen. Auch der Samstag war heilig. Um 14 Uhr war Schluss mit Geschäft. Und dann? Kein Stress, keine ständige Erreichbarkeit, keine Amazon-Pakete, die die halbe Kundschaft, während der Laden dicht war, zum Sofa-Shoppen verführten. Die Konkurrenz saß nicht weltweit im Internet, sondern vielleicht in der Nachbarstadt – und die hatte genauso früh die Türen zu.

„Natürlich wurde früher auch hart gearbeitet. Keine Frage. Aber dieser ständige Druck, immer und
überall erreichbar zu sein, den gab es nicht.“

Und Opa? Der hat das mit der Balance auf seine ganz eigene Art perfektioniert. Wenn er mit seinen Kumpels (ohne Oma natürlich) zum Skifahren gefahren ist, dann war das eben auch Teil des Lebens. Und wenn er mal nachmittags auf einer Ratssitzung war – was ja durchaus wichtig war für die Gemeinde – dann wurde im Anschluss ordentlich „nachgetagt“. Aber nicht am Schreibtisch oder beim Power-Meeting, sondern ganz bodenständig in der Kneipe. Das war eh oft wichtiger als die ganze Ratssitzung. Und dann war es auch schon mal spät – aber keiner hat ihm abends noch eine E-Mail geschrieben oder um 22 Uhr ans Schnur-Telefon geklingelt.

Auch bei uns Kindern war das Leben entspannter – zumindest für unsere Eltern. Wir waren draußen unterwegs, keiner wusste genau, wo. Handys? Fehlanzeige. Aber es gab dieses Grundvertrauen: Die kommen schon wieder. Und meistens sind wir auch wieder aufgetaucht – spätestens zum Abendbrot. Natürlich wurde früher auch hart gearbeitet. Keine Frage. Aber dieser ständige Druck, immer und überall erreichbar zu sein, den gab es nicht. Vielleicht war das Leben dadurch manchmal sogar ausgeglichener, als wir das heute hinkriegen – trotz all der Apps, Coachings und dem modernen Trallala.

Work-Life-Balance ist wohl keine neue Erfindung. Opa und Oma hatten viel mehr Balance, als unsere Kids es heute vielleicht schaffen – ganz ohne es groß zu planen. Wobei: Opa würde das im Himmel jetzt natürlich energisch abstreiten – ohne ihn ging schließlich gar nichts. Auch nicht während des Mittagsschlafs, bei dem ihn natürlich trotzdem niemand stören durfte.


Zur Person:

  • Der Autor Antonius Schröer führt mehrere Modehäuser.
  • Er verkörpert das Vechtaer Original „Straßenfeger“ im Karneval.

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