Die Deutschen, so Bundeskanzler Friedrich Merz vor über einem Jahr, müssten endlich runter von der faulen Haut und mehr arbeiten. Sonst geht es mit Wirtschaft und Wohlstand weiter bergab.
Auf den ersten Blick klingt das logisch. Mehr Arbeit, mehr Geld, mehr Wohlstand. Für den Einzelnen und für das Land. Das Allheilmittel aber scheint es nicht zu sein. Denn im europäischen Vergleich liegt die wöchentliche Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigte nur 6 Minuten unter dem europäischen Mittelwert. So wahnsinnig faul sind wir also wohl nicht. Die Quote der Erwerbstätigen liegt sogar deutlich über dem europäischen Durchschnitt.
Und flexibel sind wir sowieso. Man kann bis zu 10 Stunden am Tag arbeiten, wenn die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit innerhalb von 6 Monaten nicht mehr als 8 Stunden beträgt. Vor dieser Regelung im Arbeitszeitgesetz verliert die Debatte über eine wöchentliche Höchstarbeitszeit irgendwie ihren Sinn.
„Vor allem aber würden die strukturellen Defizite, etwa Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder sinnvolle, wirksame Qualifizierungs-, Fort- und Weiterbildungsangebote, dadurch nicht behoben.“
Bleibt als Knackpunkt also die tatsächlich überdurchschnittlich hohe Teilzeitquote. Natürlich kann hier die Politik über steuerfreie Überstundenzuschläge einen Anreiz zur Mehrarbeit setzen. Der aber würde die Bereitschaft zur dauerhaften Erhöhung der regulären Arbeitszeit minimieren: Warum soll man von 30 auf 35 Stunden erhöhen, wenn durch Überstunden samt steuerfreiem Zuschlag am Ende mehr in der Kasse bleibt.
Vor allem aber würden die strukturellen Defizite, etwa Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder sinnvolle, wirksame Qualifizierungs-, Fort- und Weiterbildungsangebote, dadurch nicht behoben. Auch wenn CDU und Wirtschaft es nicht gerne hören: Es könnte durchaus sein, dass der schwarze Peter eben nicht bei den Beschäftigten liegt. Sondern bei denen, die für die Rahmenbedingungen zuständig sind.