Wir brauchen eine Ersatzstimme
Kolumne: Jedes Jahr wählen Millionen „Kleinparteien“, die nicht ins Parlament einziehen. Ihre Stimme hat keinen Einfluss aufs Parlament. Das sollte sich ändern.
Friedrich Niemeyer | 17.02.2025
Kolumne: Jedes Jahr wählen Millionen „Kleinparteien“, die nicht ins Parlament einziehen. Ihre Stimme hat keinen Einfluss aufs Parlament. Das sollte sich ändern.
Friedrich Niemeyer | 17.02.2025

„Wählen ist wie Zähne putzen: Wenn du es nicht machst, wird’s braun“: Diesen Spruch müssen sich alle Demokratinnen und Demokraten am kommenden Sonntag (23. Februar) zu Herzen nehmen. Gehen Sie wählen und wählen Sie eine demokratische Partei. Nie wieder ist jetzt! Leider ist unser Wahlsystem allerdings so gestrickt, dass ich den Aufruf noch ergänzen müsste mit dem Satz: „Verschwenden Sie Ihre Stimme nicht.“ Dabei dürfte es „verschwendete Stimmen“ gar nicht geben. Wahlen in Deutschland sollen grundsätzlich gleich sein, jede Stimme also gleich viel zählen. Nur ist das nicht wirklich der Fall. Millionen werden wieder Parteien wählen, die aller Voraussicht nach nicht ins Parlament einziehen werden, weil sie die 5-Prozent-Hürde nicht überwinden und keine drei Direktmandate gewinnen. Ihre Stimme hat demnach keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Parlaments. Umgekehrt wählen viele die Kleinparteien nicht, gerade weil sie wohl nicht ins Parlament einziehen werden, obwohl sie mit ihren Positionen sympathisieren. Dabei sollte der Wähler doch die Partei wählen, die er auch wählen will. Wahltaktische Überlegungen sollten keine Rolle spielen. Unser Wahlsystem verleitet allerdings dazu. Die Sitzverteilungen in den Parlamenten bilden den Wählerwillen folglich nicht vollständig ab, mahnt die Europapartei Volt. „Die Ersatzstimme wäre ein geeignetes Mittel, jungen Menschen mehr Einfluss im Bundestag zu verschaffen.“ Es gäbe allerdings einen Ausweg aus diesem Dilemma: die Ersatzstimme. Und die funktioniert so: Sie setzen ihr Kreuz ganz einfach bei der Partei, die ihnen am besten gefällt. Mit ihrer Ersatzstimme können sie anschließend eine weitere Zweitstimme vergeben. Sie greift allerdings nur, wenn die Partei, die Sie mit ihrer Zweitstimme gewählt haben, nicht in den Bundestag einzieht. Würde die Ersatzstimme eingeführt, käme es zu einer paradoxen Situation: Der „Sonstige-Balken“ würde wohl deutlich sinken, obwohl die Kleinparteien mehr Stimmen erhalten dürften. Anläufe, die Ersatzstimme in Deutschland einzuführen, gab es bereits. Im Saarland und in Schleswig-Holstein scheiterten Gesetzentwürfe der Piraten allerdings. Das Bundesverfassungsgericht hatte zudem 2017 geurteilt, dass sich aus der Verfassung keine Pflicht des Gesetzgebers ergebe, Ersatzstimmen einzuführen. Dabei würden Ersatzstimmen dazu führen, dass insbesondere die jungen Wähler stärker im Parlament repräsentiert werden. Das zeigen Daten vergangener Wahlen. Bei der letzten Bundestagswahl gaben 15 Prozent der 18- bis 24-Jährigen ihre Zweitstimme „sonstigen Parteien“, bei den 25- bis 34-Jährigen waren es 14,6 Prozent. Unter den 60- bis 69-jährigen Wählerinnen und Wählern waren es dagegen nur 5,7 Prozent und unter den über 70-Jährigen nur 3,2 Prozent. Die Ersatzstimme wäre also ein geeignetes Mittel, jungen Menschen zumindest ein wenig mehr Einfluss im Bundestag zu verschaffen. Das ist wünschenswert, da ihre Interessen bei Wahlen leider kaum eine Rolle spielen.Sonstige Parteien sind vor allem bei jungen Wählern beliebt
Zur Person:
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