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Warum Schweden nicht als Corona-Paradebeispiel taugt

Kolumne: Libertäre Kommentatoren ziehen Schweden häufig aus dem Hut, wenn es darum geht, den angeblichen Unsinn der Lockdowns zu beweisen. Der Vergleich hinkt allerdings gewaltig.

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In großen Krisen braucht es einen starken Staat. Das wurde in den Krisen der vergangenen Jahre deutlich. Der Staat hielt durch milliardenschwere Hilfsprogramme den Laden am Laufen. Zum Beispiel in der Bankenkrise, der Coronakrise und zuletzt in der durch Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelösten Energiekrise.

Nun gibt es aber zunehmend sogenannte „libertäre“ Kreise, die eine gewisse Staatsfeindlichkeit an den Tag legen. Die von Donald Trump unterstützten republikanischen Quertreiber im US-Kongress gehören genauso dazu, wie die britische Kurzzeit-Premierministerin Liz Truss, die mit ihrem Mini-Staatsbudget die Wirtschaft ihres Landes binnen weniger Tage an den Rand des Abgrundes brachte.

Deutschland schneidet im Vergleich ganz gut ab

Auch in Deutschland ist das „libertäre“ Gedankengut längst angekommen. Den Apologeten dieser Ideologie sind nicht nur der Staat und seine Hilfsprogramme ein Dorn im Auge, sondern insbesondere auch die Corona-Lockdowns, die weltweit verhängt wurden. Vor Kurzem las ich eine Kolumne, in der eine Art Dolchstoßlegende verbreitet wurde. Mit Blick auf die Corona-Krise war von einer „kollektiven Hysterie“ die Rede. Die Lockdowns, so der Tenor, seien gar nicht notwendig gewesen. In Schweden hat es doch auch ohne geklappt. (Das Land ist bekanntermaßen ohne generellen Lockdown durch die Corona-Pandemie geschlittert.)

"Den Apologeten dieser Ideologie sind nicht nur der Staat und seine Hilfsprogramme ein Dorn im Auge, sondern insbesondere auch die Corona-Lockdowns"

Friedrich Niemeyer

Um keine Zweifel aufkommen zu lassen: Corona war anfänglich 10 Mal tödlicher als die Grippe. Die Lockdowns haben in Deutschland tausenden Menschen das Leben gerettet, auch weil die Regierung gerade zu Beginn der Pandemie schnell reagierte. Mit Blick auf die Todeszahlen schneiden wir im europäischen Vergleich ganz gut ab.  

Aber was ist denn nun mit Schweden? Tatsächlich sind dort relativ zur Bevölkerung etwa 10 Prozent mehr Menschen an Corona gestorben als in Deutschland. Das skandinavische Land dient also keineswegs als Paradebeispiel im Umgang mit Corona.

Schwedens Bevölkerung ist weniger anfällig

Wenn man sich darüber hinaus Schwedens Bevölkerung genauer anschaut stellt man fest, dass sie eigentlich viel weniger anfällig für das Coronavirus war und ist, als die deutsche. Unter anderem alte Menschen, Raucher und Menschen mit Übergewicht haben ein deutlich höheres Risiko, schwer an Corona zu erkranken und daran zu sterben. Schwedens Bevölkerung (Durchschnittsalter 39,5 Jahre) ist erstens viel jünger als die deutsche (44,7 Jahre). Zweitens hat Schweden im europäischen Vergleich die niedrigste Raucherquote (7 Prozent). In Deutschland liegt sie bei 23 Prozent und damit mehr als dreimal höher. Drittens ist der Anteil übergewichtiger erwachsener Menschen in Schweden deutlich geringer (13 Prozent) als in Deutschland (24 Prozent).

Vergleichbarer mit Schweden wäre da schon eher Norwegen. Dort starben relativ zur Bevölkerungsanzahl weniger als halb so viele Menschen, als im Nachbarland.

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