Zwischen Hühnern und Heuballenrennen
Kolumne: Das Leben als Ernstfall – Schaut man aus den Augen einer ortsfremden Person auf seine Heimat, sieht man sie anders. Das kann auch etwas Gutes sein.
Ella Wenzel | 10.09.2025
Kolumne: Das Leben als Ernstfall – Schaut man aus den Augen einer ortsfremden Person auf seine Heimat, sieht man sie anders. Das kann auch etwas Gutes sein.
Ella Wenzel | 10.09.2025
Die Sonne scheint, der Wein fließt und vor der Eisdiele melkt ein Kind eine Holzkuh. Ein normaler Tag im OM eben. Das versuche ich zumindest meinem Freund aus Hamm zu vermitteln, in dessen Gesicht ich nur noch „Kulturschock“ erkenne. Seit Monaten zeigen wir einander unsere Heimatorte. Er: Hamm, Duisburg und Bielefeld. Ich: Dinklage, Vechta, Osnabrück. Wie Sie sehen, es besteht ein Ungleichgewicht. Das passte jedoch ganz gut, denn wir wollten es ohnehin ruhig angehen lassen. Da hatten wir die Rechnung aber nicht mit dem Landkreis Vechta gemacht. Der „ruhige“ Tag startete in Dinklage, wo sich meine sonst so ruhige Straße in einen Marktplatz für mehr als 40 regionale Aussteller verwandelt hat. Das entpuppte sich jedoch als guter Startpunkt, denn Heuballenrollen, Oldtimer-Trecker-Ausstellung und die Hühner an der Kirche haben gleich jegliche Großstadtgefühle vertrieben. Was erst für Skepsis sorgte, schlug in Begeisterung um, als meine externe Begleitung anfing, die Gespräche zu überhören – „Moin“, „Moin, na?“ „Joa, ne“, „jo“ gaben ihm dann den Rest. Norddeutsch können wir eben auch. Nachdem ein Stück Apfelkuchen den ersten Schock gelindert hatte, sollte ein Abstecher nach Vechta etwas Kontrast bringen – was soll uns an einem Sonntag schon erwarten? Die Frage wurde relativ schnell beantwortet: eine Innenstadt, die durch den Tag der Vereine und Brückenlauf in einen Ausnahmezustand versetzt wurde. Ohne es zu beabsichtigen, hatte ich es geschafft, meinem Gast in nur wenigen Stunden einen Überblick über die Wirtschaft und Vereine des Kreises zu verschaffen. Noch dazu waren auch viele lokale Persönlichkeiten unterwegs, die man als OMler natürlich persönlich vorstellen konnte. Sowas können Großstädte nicht bieten! „Es gibt kaum eine Gruppe, die stärker gegen Langeweile vorgeht als Dorfmenschen.“ Zwischen Heimatbund und Naturschützern war dann aber endgültig eine Verschnaufpause nötig. Die Reizüberflutung hatte uns eingeholt. Da sagt mal einer, auf dem Land steht die Zeit still. Es gibt kaum eine Gruppe, die stärker gegen Langeweile vorgeht als Dorfmenschen. Als wir dann mitbekommen haben, dass auch in Diepholz eine Veranstaltung ist, fingen wir schon zu scherzen an: „Kaum kommt Besuch, fahren die Kommunen alle Geschütze auf.“ Aber nein, eigentlich ist es ja immer so. Wenn man es darauf anlegen möchte, könnte man im OM an jedem beliebigen Wochenende mindestens drei Veranstaltungen besuchen. Denn wir haben eben nicht nur das gewisse Eau de Gülle, die Agrarromantik und einen immer präsenten Katholizismus, mit dem jeder Lebensbereich gewürzt wird. Klar, es ist leicht, sich über das OM lustig zu machen. Hier predigt man eben noch Weihrauch und Nitrat. Wenn ich an meine Heimat denke, kommt mir aber auch sofort ein anderer Aspekt in den Kopf: das Ehrenamt, das Engagement. In meinen Augen ist kaum eine andere Region so geprägt davon. So wurde auch mein Freund von außerhalb praktisch mit dem Engagement der Menschen erschlagen und hat ihn gesehen: den Haufen Menschen, der stolz auf seine Heimat ist, diesen Stolz aber auch mit einer Verantwortung verbindet. Eine Verantwortung, sich in das gesellschaftliche Leben einzubringen, sein Zuhause zu erhalten und mitzugestalten, damit es auch für die Zukunft gerüstet ist. Und spätestens, als der Tag mit einem Spaziergang in den Dammer Bergen ausklang, waren wir uns einig: Schön ist's hier!Zur Person
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