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Wo bleibt das Positive?

Kolumne: Auf ein Wort – In den Zeitungen dominieren die negativen Nachrichten. Damit sich das ändert, müssen wir uns weiterentwickeln.

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„Und immer wieder schickt ihr mir Briefe, in denen ihr, dick unterstrichen, schreibt. Herr Kästner, wo bleibt das Positive? Ja, weiß der Teufel, wo das bleibt.“ Wo bleibt das Positive? Wenn ich morgens die Zeitung aufschlage, denke ich oft an dieses Gedicht von Erich Kästner. Wo bleibt das Positive?

Sicher, manchmal gibt es Schlagzeilen wie: Deutschland erstmals Basketball-Weltmeister. Aber auch die Folgen der Klimaveränderungen rücken uns immer mehr vor die Haustür. Und die politische Debattenkultur in unserem Land lässt mich ebenfalls oft fragen: Wo bleibt das Positive; oder zumindest das Konstruktive?

Erich Kästner hat sein Gedicht im Jahre 1930 geschrieben, 3 Jahre vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Er hatte ein feines Gespür dafür, dass sich in Deutschland etwas zusammenbraut. Die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland war damals ein gigantisches Problem. Das Land war wegen der Kriegslast hochverschuldet. Und in der jungen Weimarer Demokratie waren die Menschen mit den Politikern noch unzufriedener als wir heute.

Und was hat Kästner in dieser Situation getan? Er hat getan, was er am besten konnte. Er hat geschrieben. Kultur- und zeitkritische Texte waren das eine. Aber Kästner hat auch hinreißende Kinderbücher verfasst: „Emil und die Detektive“, „Pünktchen und Anton“, „Das fliegende Klassenzimmer“. Er hat sich auch in dunklen Zeiten den inneren Sinn für das Spielerische und Leichtfüßige nicht nehmen lassen.

„Aber dieser Sinn für das Positive fällt uns nicht in den Schoß. Das ist auch eine Frage der Haltung, der Übung, der eigenen inneren Kultur.“

Aber dieser Sinn für das Positive fällt uns nicht in den Schoß. Das ist auch eine Frage der Haltung, der Übung, der eigenen inneren Kultur. Das bringt Kästner wunderbar in einem anderen Gedicht ins Wort. Es heißt „Die Entwicklung der Menschheit“. Darin ist die Rede davon, was wir der technischen Zivilisation alles zu verdanken haben. In allen theoretischen und praktischen Bereichen des Lebens hat die Menschheit gigantische Fortschritte gemacht. Dann aber lautet seine Frage: Wie steht es um den inneren Fortschritt? Wie ist denn das menschliche Klima in unseren vollklimatisierten Büros?

Kästner sagt: Äußerlich haben wir den Zustand der Urwaldmenschen überwunden. Aber innerlich? „Da sitzen sie nun am Telefon. Und es herrscht noch genau derselbe Ton wie seinerzeit auf den Bäumen.“ Die biblische Tradition trägt auch im Zeitalter der Digitalisierung wesentlich zu unserer menschlichen Kultur bei. Dazu gehört der Impuls, es nicht allen mit gleicher Münze heimzuzahlen. Auch der Umgang mit Kritik kann im digitalen Zeitalter noch kultiviert werden.

Sehr schön schrieb der Philosoph Leibniz einem Freund sinngemäß: "Ich halte mich nicht mit den Schwachstellen und Fehlern anderer auf. Ich finde überall etwas Gutes, das mich weiterbringt.“ Das Positive kommt noch von außen. Wir finden es nur mit der richtigen Optik.


Zur Person: 

  • Pfarrer Dr. Marc Röbel ist Akademiedirektor der Katholischen Akademie in Stapelfeld.
  • Den Autor erreichen Sie per E-Mail an redaktion@om-medien.de.

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