Wer die amerikanische Seele verstehen will, sollte nach Schweden fahren
Meine Woche: Schweden ist Amerika ohne Waffen, mit mehr Elchen und einem besseren Gewissen.
Katrin Luber | 06.07.2025
Meine Woche: Schweden ist Amerika ohne Waffen, mit mehr Elchen und einem besseren Gewissen.
Katrin Luber | 06.07.2025

Ich dachte, ich fahre nach Schweden. Raus in die Natur, zu Seen, Kiefernwäldern und Elchen. Stattdessen lande ich – rein kulturell betrachtet – in einer Light-Version der USA. Nur mit besserem Müllsystem und weniger Smalltalk. Die Parallelen sind frappierend. Es fängt bei den Häusern an. Holzfassade, Veranda, Schindeldach – schwedische Sommerhäuser könnten problemlos als Filmkulisse in einem amerikanischen Vorort durchgehen. Fehlt nur noch die US-Flagge auf dem Briefkasten. Innen wartet Ikea statt Walmart, aber das Prinzip ist gleich: bequem, funktional, nicht für die Ewigkeit gebaut. Auch kulinarisch ähneln sich die beiden Nationen auf verdächtige Weise. Kochen? Wird überbewertet. Es gibt Pizza, Burger, Hot Dogs – und überall Süßes. In Schweden heißt das Kanelbulle, in den USA Cinnamon Roll. Dasselbe Prinzip: Teig, Zucker, Zimt, fertig. Man isst gern einfach. Am besten schnell. Und so, dass die Küche sauber bleibt. Fast Food als Lebensstil – nur mit nordischem Anstrich. Und dann ist da noch diese seltsame Mischung aus Liberalität und Prüderie. In Schweden darf jeder alles sein – theoretisch. Praktisch redet man lieber nicht darüber. Die USA haben das perfektioniert: Werbung mit Sexappeal, aber wehe, in einem Film verrutscht ein Bikinioberteil. In beiden Ländern existiert ein gesellschaftliches Stillhalteabkommen: Du darfst, was du willst – aber bitte diskret. Auch die soziale Interaktion ist erstaunlich ähnlich. Freundlich, höflich, aber mit Distanz. In Schweden heißt das „lagom“ – nicht zu nah, nicht zu fern. In den USA nennt man es „nice“. Du wirst angelächelt, bekommst Smalltalk serviert – aber komm bloß nicht auf die Idee, spontan vorbeizuschauen. Es sei denn, du bist ein Elch. „Ich liebe die Schweden, je länger und öfter ich hier bin. Die haben ein bisschen ’ne Vollmeise, aber es gibt viele Sachen, die wirklich gut sind.“ Und trotzdem ist Schweden wunderschön. Die Natur ist atemberaubend – stille Seen, tiefgrüne Wälder, Sonnenuntergänge, die sich endlos dehnen. In der Mittsommernacht scheint das Licht magisch, fast überirdisch, als würde der Himmel für ein paar Stunden vergessen, dunkel zu werden. Und dann tanzen da diese schwedischen Frauen mit Blumenkränzen im Haar barfuß über die Wiese, als wären sie direkt aus einem Werbespot für nordische Unbeschwertheit entsprungen. Man kann sich dem kaum entziehen – diesem Gefühl, dass hier etwas in Balance ist, selbst wenn es hinter der Fassade komplexer ist, als es scheint. Ich habe gelernt: Du musst nicht über den Atlantik fliegen, um Amerika zu verstehen. Es reicht, wenn du 2 Wochen in einer schwedischen Hütte ohne fließendes Wasser verbringst. Du wirst Zimtschnecken essen, die aussehen wie Donuts, dir wird freundlich zugenickt werden und nachts hast du das Gefühl, dass alles irgendwie funktional, aber seltsam unnahbar ist. Schweden ist Amerika ohne Waffen, mit mehr Elchen und einem besseren Gewissen. Ich liebe die Schweden, je länger und öfter ich hier bin. Die haben ein bisschen ’ne Vollmeise, aber es gibt viele Sachen, die wirklich gut sind. Ich fahre seit 5 Jahren jährlich hierhin und liebe sie inzwischen. Sie sind ein bisschen gaga, aber sehr liebenswert.Freundlich, höflich, aber mit Distanz
Ich fahre seit 5 Jahren jährlich hierhin
Zur Person:
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