Wenn der Fahrplan mal wieder entgleist
Gästebuch: Zugfahren in diesen Zeiten ist ein Lotteriespiel – das zeigt eine Testfahrt mit der Bahn nach Bonn.
Alfons Batke | 12.12.2025
Gästebuch: Zugfahren in diesen Zeiten ist ein Lotteriespiel – das zeigt eine Testfahrt mit der Bahn nach Bonn.
Alfons Batke | 12.12.2025

Okay, es war eine andere Zeit. Gut 50 Jahre her, exakt im Juli 1974. Zum ersten Mal auf großer Fahrt. Mit dem Interrail-Ticket. Und dann gleich nach Irland. Zur Brieffreundin. Eine Woche vor der Abreise schrieb ich ihr: „Komme am Montag um 10.32 Uhr in Tullamore an.“ Gab noch keine Bahn-App, ich hatte das Europa-Kursbuch, ein Wälzer dick wie ein Roman von Ken Follet. Aber verlässlich. Ich kam tatsächlich um 10.32 Uhr an. Sprung in die Gegenwart. Wieder mal Bahn fahren. Alle schimpfen. Unpünktlich. Versiffte Züge. Unfreundliches Personal. Wir wollten es testen. Wochenendtrip zu meiner Tochter in Bonn mit Sightseeing, Weihnachtsmarkt, Haus der Geschichte, Rhein & Co.. Erste Etappe mit der Nordwestbahn nach Osnabrück, nur 10 Minuten Verspätung. 30 wären auch okay gewesen, denn der Zug nach Köln lässt eh auf sich warten – 40 Minuten. Keine Chance auf die planmäßige Verbindung nach Bonn, wir nehmen die nächste verfügbare. Überfüllt, nur noch Stehplätze, aber immerhin am Ziel mit einem moderaten Zeitverlust von 70 Minuten. Zugfahren in diesen Zeiten ist ein Lotteriespiel. Dabei wollte ich mich eigentlich nicht am Bahn-Bashing beteiligen. Liest man ja landauf, landab in den Kolumnen – die Storys von abenteuerlichen Touren, die oftmals in der Mitte von Nirgendwo enden. Nach der Bonn-Visite müsste ich lügen, Ansätze dafür zu finden, eine Lanze für die Bahn zu brechen. „Wutbürger bedrängen das Personal eines auf dem Nachbargleis haltenden Zuges. Diejenigen, die nichts dafür können, kriegen es mal wieder ab.“ Das hat insbesondere mit der Geschichte der Rückreise vom Adventssonntag zu tun, die sich stakkatomäßig so liest: Geplante Abfahrt Bonn Hbf. nach Duisburg 12.04 Uhr, kurz vorher die Nachricht ohne Angabe von Gründen: Zug fällt aus. Nächster Versuch 13.04 Uhr, natürlich komplett überfüllt. Zugführer nach 15 Minuten kurz hinter Brühl: „Sorry, muss kurz anhalten. Kleines technisches Problem. Dauert 2 bis 3 Minuten.“ Okay, es werden 10. Dafür muss er dann aber am nächsten Bahnhof erst mal rechts ranfahren, um nachfolgende Züge durchzulassen. Kurzum: Unser Fahrplan ist längst völlig entgleist, wir erreichen Duisburg 2 Stunden später als geplant. „Bin mal gespannt, ob wir es noch bis zum ‚Tatort‘ nach Hause schaffen“, raune ich meiner Frau zu. Natürlich ist auch der Regionalexpress Duisburg – Osnabrück zum Bersten gefüllt, doch er kommt voran. Zumindest bis Lengerich. Der Zugführer: „Dieser Zug endet hier. Ich fahre nach Münster zurück. Die Strecke nach Osnabrück ist gesperrt. Bitte steigen Sie aus.“ Ratlosigkeit. Hektisches Telefonieren. Wutbürger bedrängen das Personal eines auf dem Nachbargleis haltenden Zuges. Diejenigen, die nichts dafür können, kriegen es mal wieder ab. Irgendwann geht es dann doch weiter, wir erreichen die im vorweihnachtlichen Glanz erstrahlende Heimatstadt mit mehr als 4 Stunden Verspätung. Und nein, bis zum „Tatort“ haben wir es nicht mehr geschafft. Und ja, beim nächsten Mal nehmen wir das Auto.Zur Person:
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