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Viel Auto, wenig mobil

Kolumne: Batke dichtet – In Vechta fahren aufgemotzte Mercedes und Harleys mit 20 Kilometern pro Stunde, während die Autos in Lohne zwischenzeitlich komplett stehen bleiben.

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Der Mensch neigt zu Vereinfachungen. Nehmen Sie beispielsweise die Zivildienstleistenden, die es bis 2011 gab – „Zivis“ im Volksmund. Wer sich zum Kriminalpolizisten hat ausbilden lassen, arbeitet für die „Kripo“, später möglicherweise in einer Sonderkommission, in einer „Soko“. Und alle haben wir uns am Aufbau Ost beteiligt und brav unseren Solidaritätszuschlag, den „Soli“, abgedrückt, nur um zu sehen, dass die Menschen zwischen Ostsee und Erzgebirge der AfD in die Arme laufen. Aber das nur am Rande.
Eine andere Vereinfachung ist der Begriff „Auto“, der das substantivierte Adjektiv „Automobil“ abkürzt. Eine Bezeichnung, die Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals in Frankreich auftauchte und sich aus dem griechischen „autos“ (selbst) und dem lateinischen „mobilis“ (beweglich) zusammensetzt. Griechisch-römisch, wenn Sie so wollen, und diese Art des Ringkampfes erleben wir ja auch häufig auf unseren Straßen. Wobei – es gibt auch Oasen der Entspannung.

Nehmen wir zum Beispiel die Große Straße in Vechta. Sie ist geradezu ein Laufsteg für die Errungenschaften des Automobilbaus. Längst hat es sich auch in den Nachbarkreisen herumgesprochen, dass man seine Schmuckstücke – eingebremst auf 20 Kilometer pro Stunde – den Flaneuren und Müßiggängern in den Cafés der quirligen Kreisstadt in voller Pracht präsentieren kann.

„Dass, wie ich vernahm, kürzlich einige Tesla-Fahrer von Passanten ausgebuht worden sein sollen, halte ich für ein wenig übertrieben – aber abgedeckt durch freie Meinungsäußerung.“

Wir bewundern beim illustren Schaurollen den von einem sonnenbebrillten Senior pilotierten Ferrari ebenso wie einen nach allen Regeln der Kunst aufgemotzten AMG-Mercedes mit CLP-Kennzeichen, zucken leicht zusammen, als ein kanariengelber Mustang mit Diepholzer Nummer in 1,3 Sekunden von 8 auf 24 km/h beschleunigt und hören das ferne Grollen einer sich vom Bremer Tor nähernden Harley. Dass, wie ich vernahm, kürzlich einige Tesla-Fahrer von Passanten ausgebuht worden sein sollen, halte ich für ein wenig übertrieben – aber abgedeckt durch freie Meinungsäußerung. Während sie sich auf Vechtas Prachtmeile in ihren Boliden, die nicht selten mehr als 300 PS unter der Haube haben, wenigstens im Schritttempo vorwärts bewegen, kommt im benachbarten Lohne in diesen Monaten der Verkehr zu bestimmten Zeiten nahezu vollständig zum Erliegen. Die Großbaustelle am Bahnhof sorgt dafür, dass einige Gleismeter weiter, wo sich einst die Viehrampe befand, die alte Roulette-Regel gilt: Rien ne vas plus – nichts geht mehr.

Es zeigen sich die Fehler der damaligen Verkehrsplanung

Vor allem dann, wenn sich noch die Züge der Nordwestbahn ins Verkehrsgeschehen einmischen. Das Tückische daran: Man weiß nie genau, wann sie kommen oder ob sie überhaupt kommen. Und so staut sich einiges zusammen an dem Punkt, wo Dinklager Straße, Vechtaer Straße, Bakumer Straße und Keetstraße aufeinandertreffen, zudem die Befahrer der Alten Carumer und der Klapphakenstraße sowie die Kundschaft dreier Supermärkte auch gern am Verkehr teilnehmen möchten. Es dauert, ehe sich das Knäuel entwirrt hat. Immerhin, wenn schon im Stadtkern nichts los ist, so verströmt wenigstens das karawaneske Treiben rund um den alten Güterbahnhof einen Hauch von Urbanität, deckt aber auch die Sünden der Vergangenheit in Sachen Verkehrsplanung schonungslos auf. Insgesamt gilt also: viel Auto, wenig mobil. Wollen Sie wissen, wie ich diesbezüglich meine Beobachtungen in Vechta und Lohne gemacht habe? Ich bin viel mit dem Fahrrad unterwegs.


Zur Person

  • Alfons Batke blickt auf eine über 40-jährige journalistische Laufbahn zurück.
  • Der 68-Jährige lebt als freier Ruheständler in Lohne.

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