Urlaub im Gotteshaus
Kolumne: Auf ein Wort – Selbst Freizeitaktivitäten verlangen uns im Urlaub noch einiges ab. Bedingungslose Entspannung findet man derweil an anderen Orten.
Dietmar Kattinger | 12.08.2025
Kolumne: Auf ein Wort – Selbst Freizeitaktivitäten verlangen uns im Urlaub noch einiges ab. Bedingungslose Entspannung findet man derweil an anderen Orten.
Dietmar Kattinger | 12.08.2025

In einem österreichischen Tal nahe der deutschen Grenze stehen drei Kirchen. Nicht jede ist immer bis auf den letzten Platz gefüllt. Das mag man bedauern, es hat aber auch seine Vorteile: Welch herrliche Ruhe herrscht beispielsweise tagsüber in der mittleren der dreien. Draußen strömt der Verkehr vorbei: die Autos, die türkisfarbenen Omnibusse. Auf den Gehwegen ziehen die Wanderer ihrer Wege. Mit Rucksäcken bepackt und Wanderstöcken ausgerüstet. Und auch die schon für den Abend Gestylten und Wohlriechenden machen sich auf den Weg in ihre abendliche Pizzeria. Und drinnen: Stille. Wohltuende Stille. Man muss nichts tun. Kann sitzen, solange man will. Ohne, dass ein Kellner kommt und fragt, ob man noch etwas trinken möchte. Ohne, dass er mit gerunzelter Stirn wiederholt an einem vorbeigeht und wortlos vorwirft: „Mein Herr, sie sitzen jetzt schon 40 Minuten hier, mit nur einem alkoholfreien Weizen?“ In einem Gotteshaus, dessen Turm nach oben ragt, der abertausende Fotos jahrein, jahraus ziert und der – einem Finger gleich – auf den blauen Himmel verweist. Heraus aus dem Alltag und heraus aus allem Irdischen. Ein Raum, in dem man fürs Sitzen nichts zahlen muss. Keinen Eintritt. Keinen Strafzettel für zu langes Parken. In welchem sich dem Besucher das Psalmwort aufdrängt: „Du hast meinen Füßen freien Raum geschenkt (31, 9).“ Das auch heißen könnte: „Du hast mir weiten Raum geschenkt!“ „Und drinnen: Stille. Wohltuende Stille. Man muss nichts tun. Kann sitzen, so lange man will. Ohne, dass ein Kellner kommt und fragt, ob man noch etwas trinken möchte.“ Welch‘ Kühle das Gotteshaus im Sommer spendet. Welch‘ Schutz es vor Starkregen bietet. Welch‘ Wärme im Winter. Es lädt Augen und Seele ein, seine Schönheit umsonst zu genießen. Das Gold an den Altären, die gedrechselten Verzierungen an den Holzbänken. Die blau-lila modern gestaltete Osterkerze. Die Augen, die nicht wie im Café jemandem begegnen müssen, mit dem oder der man jetzt im Moment nicht sprechen möchte, sondern die schweifen können, wohin und so lange sie wollen. Die Kirche auf einem leichten Hochplateau, in der man nicht aufgebrezelt sein muss und selbst vom Wandern verschwitzt nicht des Raumes verwiesen wird. Wo man vielmehr sein kann, wie man ist. Das passt zu Maria, deren Fest jetzt am 15. August mitten im Sommer gefeiert wird. Ihre „Aufnahme in den Himmel“ mit Leib und Seele. Also mit allem. So, wie sie war. Mit dem Vollendeten und Unvollendeten. Mit dem Angefangenen und dem Abgebrochenen. Mit dem Gelungenen und Misslungenen. „So ist sie ganz daheim – mit Leib und Seele“, fasst der Religionsphilosoph Bernhard Welte zusammen. Nichts aus ihrem Leben geht verloren. Sie ist so daheim, wie man es in einem leeren Kirchenraum ansatzweise auch sein kann. Wenn’s Ihnen beim Stoppelmarkt mal zu laut wird oder zu voll oder zu eng, dann gehen Sie ins ‚Alkoholfreie Zelt‘. Oder ein paar Meter weiter zum Urlaub ins Gotteshaus.Zur Person:
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