Als Online-Redakteur gehören Blaulichtmeldungen zum täglichen Brot. Als wäre das Formulieren tragischer Nachrichten nicht ohnehin unangenehm, nimmt die Diskussion um das Nennen der Nationalität von Tatverdächtigen im Zuge der Merz'schen „Stadtbild-Debatte“ wieder Fahrt auf.
Landesinnenminister Joachim Hermann (CSU) hat die bayerische Polizei bereits dazu verdonnert, die Nationalität von Tatverdächtigen in Pressemitteilungen aktiv mitzuteilen. Folgt er damit dem Interesse der Öffentlichkeit oder ist das Vorgehen ein weiterer Schritt, die Gesellschaft aktiv zu spalten?
„Aber geht es in der Regel darum, beim Nicht-Nennen der Nationalität von Verdächtigen etwas zu verheimlichen?“
Zunächst: Wenn die Polizei die Nationalität eines Tatverdächtigen über das Presseportal veröffentlicht, ist dies nichts mehr als eine Pressemitteilung. Wie mit diesen puren Informationen umgegangen wird, ist Aufgabe der Medien. Heißt: Radiosender und Zeitungen entscheiden, ob die Nationalität eines Verdächtigen für den Zusammenhang einer Meldung eine Rolle spielt. Sie handeln im besten Fall nach dem Pressekodex. Kommen sie zu dem Entschluss, die Nationalität nicht zu nennen, können sich Interessierte über die frei zugänglichen Portale informieren. Niemand verheimlicht etwas. Transparenz statt Fragezeichen.
Aber geht es in der Regel darum, beim Nicht-Nennen der Nationalität von Verdächtigen etwas zu verheimlichen? Oder ist die Information oft irrelevant für den Vorfall, beziehungsweise kann auch dazu führen, bestimmte Klischees zu verfestigen, zum Beispiel, dass – ganz plakativ – Polen Autos stehlen und Rumänen Einbrüche begehen?
Es gibt keine Universallösung
Das Gegenargument: Wenn Vorurteile nicht zutreffen, verflüchtigt sich die durchgängige Nennung der Nationalität von selbst. Stimmt das? Erinnern Sie sich noch an die Amokfahrt in Mannheim, bei der Anfang des Jahres zwei Menschen starben? Ein Deutscher saß am Steuer. Die Nachricht versendete sich im Gegensatz zu vergleichbaren Fällen, bei denen Menschen aus Afghanistan oder Tunesien gezielt in Menschenmengen fuhren. Die standardmäßige Nennung der Nationalität birgt also das Potenzial für ungerechtfertigte Stimmungsmache. Das gilt im Übrigen auch für Polizeistatistiken, die oft genug undifferenziert gelesen werden.
Ungeachtet all dessen gilt die Unschuldsvermutung. Ist für diese die Fülle an persönlichen Daten der Tatverdächtigen nötig, solange es keine Extremtat war oder der kulturelle Rahmen eine Rolle spielt?
Es gibt keine Universallösung, ob bei Tatverdächtigen die Nationalität genannt werden sollte – oder gar muss. Allerdings muss stets differenziert werden – in einer Welt, die immer mehr in Schwarz-Weiß-Denken verfällt, sind Grautöne essenziell.
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