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Rasant steigende Corona-Zahlen: Tübinger Modellprojekt gerät ins Wackeln

Lohne, Vechta und Damme wollen nach Tübinger Vorbild Modellprojekte starten. Doch beim Vorreiter in Baden-Württemberg hat sich die 7-Tagesinzidenz binnen weniger Tage fast verdoppelt (Update 14 Uhr)

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In Tübingen können Menschen in der Stadt kostenlose Corona-Tests machen. Mit einem negativen Testergebnis können die getesteten Personen zum Beispiel in Modeläden einkaufen, zum Friseur oder auch in der Außengastronomie bewirtet werden. Foto: dpa | Tom Weller

In Tübingen können Menschen in der Stadt kostenlose Corona-Tests machen. Mit einem negativen Testergebnis können die getesteten Personen zum Beispiel in Modeläden einkaufen, zum Friseur oder auch in der Außengastronomie bewirtet werden. Foto: dpa | Tom Weller

Ganz Deutschland blickte bewundernd nach Tübingen - die Universitätsstadt in Baden-Württemberg hatte ein Modellprojekt auf die Beine gestellt. Das Credo: Täglich Testen, das negative Ergebnis ist ein Tagesticket fürs Shoppen, Kino, Essengehen. Die Hoffnung: Trotz der bundesweit angespannten Corona-Lage kann so zumindest etwas Normalität zurückkehren.

Im Landkreis Vechta mehrten sich die Stimmen, das Konzept auch hierzulande auszuprobieren - vor allem vor dem Hintergrund, dass im Oldenburger Münsterland vorsichtige Öffnungsschritte im Einzelhandel wegen der anhaltend hohen 7-Tagesinzidenzen über 100 ausbleiben mussten. Der CDU-Kreisverband preschte als erstes vor und zeigte auf das Tübinger-Modell als mögliche Öffnungsperspektive im Kreis Vechta. Die Stadt Vechta war schließlich unter den ersten 8 Kommunen, die sich für ein solches Modell bewarben.

Nachdem aus Hannover grünes Licht für derartige Modelle kam und die Eckpunkte dafür in der neuen Corona-Verordnung fixiert wurden, empfahlen sich die beiden Städte Lohne und Vechta für das Konzept - ganz nach Tübinger Vorbild. Am Dienstag wurde zudem bekannt, dass sich nun auch die Stadt Damme beworben hat.

Abendliche Partys: Jetzt kommt Alkoholverbot

Doch der Vorreiter in Baden-Württemberg gerät jetzt ins Trudeln. Wie die Stuttgarter Nachrichten am Dienstag berichten, könnte dem Modell jetzt das vorzeitige Aus drohen. Der Grund: Die Corona-Zahlen haben sich in nur wenigen Tagen rasant nach oben entwickelt. Die 7-Tagesinzidenz in Tübingen sei bis Sonntag auf 66,7 gestiegen, erklärte Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) . Am vergangenen Donnerstag hatte der Wert nach Angaben der Stadt noch bei 35 gelegen und hätte sich damit innerhalb weniger Tage fast verdoppelt. Die Inzidenz wird von der Stadt selbst berechnet. Infektionszahlen auf Gemeindeebene werden vom Landratsamt Tübingen nur wöchentlich veröffentlicht. Für den gesamten Landkreis Tübingen meldet das Robert-Koch-Institut am Dienstag einen Wert von 104,1.

Der Anstieg gehe eher nicht aufs Einkaufen oder den Theaterbesuch zurück, sagt jetzt Boris Palmer. Problematisch seien jene, "die abends in der Stadt Party" machten. Mit Blick auf verschärfende Maßnahmen wie zum Beispiel eine Ausgangssperre in Tübingen sagte Palmer, tagsüber könne geordnet in der Außengastronomie gesessen oder mit Maske eingekauft werden. "Und nachts sind alle daheim - warum nicht..." In Tübingen habe er nämlich das Problem, dass häufig nach 20 Uhr große Gruppen auf innerstädtischen Wiesen Partys feierten. Da gebe es keinen Abstand, sondern Alkohol, sagte der Grünen-Politiker. Wie die Stuttgarter Nachrichten nun berichten, soll ab sofort nach 20 Uhr kein Alkohol mehr außer Haus verkauft werden.

Boris Palmer erhält Morddrohungen

Der Oberbürgermeister selbst gerät unter massiven Druck. Er erhalte deswegen auch Morddrohungen, berichtet die dpa. Viele wünschten sich, dass das Projekt scheitere. Wegen Morddrohungen gegen ihn gebe es bereits eine dreistellige Zahl an Verfahren bei der Staatsanwaltschaft. Insbesondere die Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntag seien so verstanden worden, dass sie auch das Tübinger Modell in Frage gestellt habe, sagte Palmer. Die Kanzlerin hatte sich in der ARD-Sendung «Anne Will» kritisch gegenüber Öffnungsschritten gezeigt und angedeutet, dass notfalls der Bund tätig werden könnte, wenn die Länder nicht handelten. 

Entscheidung soll Karsamstag fallen

Die Entscheidung, ob und wenn in welchen Städten und Gemeinden ein Modellprojekt in Niedersachsen starten kann, steht noch aus. Die Landesregierung hatte angekündigt, 25 Kommunen benennen zu wollen. Wie Claudia Schröder, stellvertretende Leiterin des Corona-Krisenstabs, am Dienstagmittag bei einer Pressekonferenz mitteilte, hätten sich bislang über 100 Städte und Gemeinden für ein Modellprojekt beworben. Die Anmeldefrist endet am Mittwochabend.

Anschließend will die Landesregierung "einvernehmlich mit den kommunalen Spitzenverbänden" entscheiden, wer den Zuschlag erhält.  Pro Landkreis solle nur eine Kommune infrage kommen, erklärte Schröder. Berücksichtigt werden Schröders Angaben zufolge mehrere Faktoren - unter anderem auch die aktuelle 7-Tagesinzidenz. Absolutes Auschlusskriterium soll zumindest sein, wenn ein Landkreis über dem Wert von 200 sei. Das ist auch so in der aktuellen Corona-Verordnung vorgesehen. Gleichzeitig sollen die Modellprojekte möglichst breit auf die gesamte Landesfläche verteilt werden. Mit einer endgültigen Entscheidung ist nicht vor Karsamstag zu rechnen.

Lohne und Vechta halten an der Bewerbung fest

Die Stadt Lohne hält weiter an ihrer Bewerbung als Modellkommune fest: "Wir arbeiten derzeit an unserer Bewerbung und wollen diese fristgerecht einreichen," sagt Stadtsprecher Christian Tombrägel gegenüber OM online am Dienstagvormittag. Und: "Nach unseren Informationen hat das Land Niedersachsen das Projekt noch nicht gekippt." Jetzt müsse die für Dienstag angesetzte Pressekonferenz des Landes abgewartet werden, so Tombrägel.

Auch Vechta bleibt bei seinen Bestrebungen, Teil des Modellkonzeptes zu werden. "Es geht bei dem Projekt um eine Erprobung – das ist ganz wichtig - von möglichen Öffnungsszenarien", betonte am Dienstag Herbert Fischer, Sprecher der Stadt Vechta. "Selbstverständlich beobachten wir auch die Entwicklung in anderen Modellkommunen", erklärt Fischer mit Blick auf die neuen Zahlen aus Tübingen. Aus diesen Vorfällen könnten andere Kommunen "nur lernen und besser vorbereitet sein“.

Zum Vechtaer Konzept erklärt Fischer am Dienstag, dass es in mehreren Stufen gegliedert werden solle - "unter Einhaltung strengster Hygienevorschriften, unter Verwendung von Tests und Durchführung von Kontrollen. Zudem wissenschaftlich von der Universität Vechta begleitet."

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