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Na dann mal herzlichen Glückwunsch!

Kolumne: Notizen aus dem wahren Leben – Zum 69. Geburtstag flatterten liebe Grüße – und skurrile Werbung für Pflege, Friedwald und Testament. Mein Plan für den 70.: eine Staying-Alive-Party.

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Vor ein paar Wochen bin ich 69 Jahre alt geworden. Im Laufe der Zeit hat sich am Ablauf der Geburtstage vieles verändert. Aber eins ist geblieben: Sobald der Briefträger da war, wird Geburtstagspost studiert. Ich möchte doch wissen, wer an mich gedacht und mir einige nette Zeilen geschrieben hat. Und genauso habe ich es dieses Jahr auch wieder gemacht.

Mit Freude habe ich mehrere Geburtstagskarten gelesen. Plötzlich hielt ich den Flyer eines stationären Pflegezentrums und ambulanten Pflegedienstes in den Händen. „Anspruch auf Pflegegeld? Wir prüfen Ihren Anspruch – kostenlos & unkompliziert“, stand da auf der Vorderseite. Ups, die meinen ja wohl nicht mich? Bin ich wirklich schon so alt? Leicht geschluckt hab' ich trotzdem, als auch noch Tagespflege, Betreutes Wohnen und Seniorencafé angeboten wurde. Sicherlich gut gemeint. Und zugegeben, in meinem Körper zwickt und zwackt es schon mal.

Kniebeugen sind auch nicht mehr meine Königsdisziplin. Ab und an fühle ich mich auch etwas schlapp. Ob das aber für einen Pflegegrad reicht? Wohl eher nicht! Also am besten ignorieren. Nach einigen heiteren Geburtstagsbriefen dann ein Kuvert mit der Einladung, mich über den Friedwald zu informieren. Inklusive der Möglichkeit, sich einen Baum als letzte Ruhestätte auszusuchen. Für einen Moment war ich baff. Warum schickt man dir das zum Geburtstag? Ist das Zufall oder das kirchliche „Memento mori – bedenke, du musst sterben“? Kommt es jetzt im geschäftlichen Look daher? An meinem Wiegenfest möchte ich das Leben feiern und sonst nichts.

Zu guter Letzt dann noch die SOS-Kinderdörfer. Ihr Angebot: mich bei der Abfassung meines Testaments zu unterstützen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Aber kein wirklicher Aufreger mehr. Bereits seit einigen Jahren flattern mir ähnliche Schreiben ins Haus. Da stumpft man mit der Zeit ab.

„Am Leben bleiben“ ist alles!

Trotz allem wurde es noch ein schöner Tag. Auch wenn für mich die Welt ein wenig auf dem Kopf stand. Kein Wunder bei einem 69. Wiegenfest. Die Zahl auf den Kopf gestellt, bleibt ja auch gleich. Inzwischen habe ich meinen Frieden mit dieser Art von Werbeoffensiven gemacht. Angebot und Verkauf sind schließlich Eckpfeiler unserer Konsumgesellschaft. Und dabei altersspezifisch vorzugehen und frühzeitig damit anzufangen, ist sicherlich vernünftig. Nicht umsonst lautet das alte Sprichwort: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“

Als Gegenentwurf zu diesen geschäftlichen Aktivitäten habe ich mir für meinem 70. Geburtstag fest vorgenommen, eine „Staying-Alive-Party“ zu feiern. Auch wenn es eine Binsenweisheit ist: „Am Leben bleiben“ ist alles! Und dieses Fest werde ich mir von nichts und niemandem vermiesen lassen. Auch nicht, wenn ich irgendwelche Post von Bestattern erhalten sollte. Frei nach dem Motto: „Praktisch denken, Särge schenken“.


Zur Person:

  • Elisabeth Schlömer wohnt in Cloppenburg.
  • Sie war Leiterin des Ludgerus-Werkes Lohne bis zu ihrem Ruhestand 2019. Momentan ist sie ehrenamtlich tätig bei den „Machern – zu jung, um alt zu sein“.
  • Die Autorin erreichen Sie unter: redaktion@om-medien.de.

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