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Kindersoldaten verlieren Leben für "Endsieg"

"Wir sind zum Sterben für Deutschland geboren", dieser Spruch wurde für Hitlers letztes Aufgebot zur grausamen Wahrheit. Gerd Hübsch war einer dieser Kindersoldaten.

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Tragisches Zeugnis des Krieges: das Soldbuch von Gerd Hübsch. Er starb bei den Kämpfen um Friesoythe. Repro: Bundesarchiv/ Kühling

Tragisches Zeugnis des Krieges: das Soldbuch von Gerd Hübsch. Er starb bei den Kämpfen um Friesoythe. Repro: Bundesarchiv/ Kühling

Eigentlich sollten sich am     Volkstrauertag Schüler der Friesoyther Schulen an den Feierlichkeiten zum Volkstrauertag 2020 – 75 Jahre nach Kriegsende – beteiligen. Wegen der Corona-Pandemie entfällt aber die öffentliche Veranstaltung am Kriegerdenkmal.

Und nicht nur die Teilnahme an der Veranstaltung in Friesoythe findet nicht statt: Der Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge hatte das Albertus-Magnus-Gymnasium und die Heinrich-von-Oytha Schule nach Belgien eingeladen. Dort sollten sie an dem Festakt auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Lommel teilnehmen. Auf dem Friedhof dort ruhen knapp 39000 Kriegsopfer der beiden Weltkriege.

In beiden Fällen, ob in Lommel oder Friesoythe, sollten Einzelschicksale präsentiert werden – Biografien aus unterschiedlichen Perspektiven, von unterschiedlichen Opfergruppen. Soldaten aus Friesoythe, die in ganz Europa ihr Leben lassen mussten und nunmehr auf den Friedhöfen ewiges Ruherecht haben. Bürger der Stadt, die in den Kämpfen um Friesoythe und den umliegenden Gemeindeteilen Opfer von Krieg und Gewalt wurden. Kriegsgefangene aus Russland, Polen und Frankreich. Kanadische Soldaten – über 113 waren temporär in der Stadt begraben. Aber auch deutsche Soldaten, die aus allen Teilen des damaligen Reiches kamen und hier in Friesoythe oder am Küstenkanal „fielen“.

Die Jugendlichen waren Hitlers letztes Aufgebot

Der größte Teil von ihnen wurde nach dem Krieg exhumiert und auf der ersten vom Volksbund nach dem Zweiten Weltkrieg angelegten Kriegsgräberstätte in Edewecht beerdigt. Auf dem dortigen „Ehrenfriedhof“ ruhen über 400 Kriegstote. Rund 100 von ihnen stammen aus den Jahrgängen 1927 und 1928, waren also grade einmal 16 oder 17 Jahre alt. Hitlers letztes Aufgebot.

„Wir sind zum Sterben für Deutschland geboren“, dieser Spruch an einer Tafel in einem „Wehrertüchtigungslager“ der Hitlerjugend wurde für viele Jugendliche zur bitteren Wirklichkeit. Einer dieser Kindersoldaten war Gerd Hübsch. Er wurde am 22.12.1927 in Łódź geboren. Knapp 1,70 Meter groß, dunkel­blond und schlank. Von Beruf: Schüler. So steht es in seinem Soldbuch – ausgestellt am 7. Januar 1945.

Schüler sterben für den "Endsieg"

Aufgebrochen, den „Endsieg“ für Deutschland zu erringen, stirbt er keine vier Monate später am 14. April 1945 bei den Kämpfen um Friesoythe. Nachdem er fast monatlich seine Dienst-Regimenter gewechselt hatte, war er seit dem 9. April 1945 Soldat im niedrigsten Rang „Flieger“ im 2. Fallschirmjägerregiment 20. Begraben liegt er heute auf dem Friedhof in Altenoythe, zusammen mit Edwin Hanisch, ebenfalls Geburtsjahrgang 1927 aus Marienthal/Kreis Habelschwerdt, und Michael Bungarten, geboren 1893 in Köln. Das Grab findet sich gleich links neben dem Eingang.

Hübsch wurde in Łódź geboren. In seinem Wehrpass steht aber Litzmannstadt. Łódź war bis zum deutschen Überfall polnisch. Die deutschen Besatzer benannten dann Stadt und Region zu Ehren des deutschen Generals Karl Litzmann (1850 bis 1936) um, dessen 3. Garde-Infanterie-Division in der Kesselschlacht bei Łódź im ersten Winter des Ersten Weltkriegs siegreich gekämpft hatte. Litzmannstadt wurde umstrukturiert und im Nachhinein bekannt durch das Ghetto Lodsch und das Konzentrationslager – weitere Opfergruppen des Nationalsozialismus, denen am Volkstrauertag gedacht wird.

Das Grab: Hier sind die Kindersoldaten“ auf dem Altenoyther Friedhof begraben.Foto: KühlingDas Grab: Hier sind die „Kindersoldaten“ auf dem Altenoyther Friedhof begraben.Foto: Kühling

Ob die Eltern von Gerd Hübsch – Alfons und Lydia – das Grab ihres Sohnes jemals besuchen konnten, ist ungewiss. Ob sie überhaupt in Łódź bleiben durften, ist ebenso unklar. Denn auf den Krieg folgten Flucht und Vertreibung:

„Wir gedenken heute auch derer, die bei uns durch Hass und Gewalt Opfer geworden sind. Wir gedenken der Opfer von Terrorismus und Extremismus, Antisemitismus und Rassismus in unserem Land“, so formuliert es Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seinem Totengedenken zum Volkstrauertag.

Die Daten der Soldaten für die Recherche der Friesoyther Schüler wurden alle vom Bundesarchiv zur Verfügung gestellt. Dort ist die Nachfolgestelle der „Dienststelle für Angehörige der Wehrmacht“ angesiedelt, die Informationen über die deutschen Soldaten gibt. Ein weiterer Weg bei der Recherche ist die „Gräbersuche online“ des Volksbundes unter volksbund.de.


Kriegsgräberfürsorge braucht Hilfe

  • Mit dem Ausfall der öffentlichen Gedenkfeiern zum Volkstrauertag entfällt in diesem Jahr vielerorts auch die Haus- und Straßensammlung des Volksbundes.
  • Damit bricht ihm ein Großteil seiner Einnahmen weg, die nicht nur der Pflege und dem Erhalt der Soldatenfriedhöfe dienen.
  • Unter dem Motto: „Gemeinsam für den Frieden“ betreibt der Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge seit Jahrzehnten auch aktive Friedenserziehung unter anderem in Schulen und in der Jugendarbeit. Um dies weiter finanzieren zu können, ist er für jede Unterstützung dankbar.

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