Keine Frage der Brustbehaarung: Mann oder Bär?
Kolumne: Das Leben als Ernstfall – Die Frage, ob man im Wald lieber einem Bären oder einem Mann begegnen möchte, spaltet das Internet beziehungsweise die Geschlechter.
Fenja Hahn | 29.05.2024
Kolumne: Das Leben als Ernstfall – Die Frage, ob man im Wald lieber einem Bären oder einem Mann begegnen möchte, spaltet das Internet beziehungsweise die Geschlechter.
Fenja Hahn | 29.05.2024

Mann oder Bär? Nein, das ist keine Frage nach der Dichte der Brustbehaarung, sondern ein sogenannter „TikTok-Trend“. Das heißt, dass Menschen online diskutieren, ob sie allein in einem dunklen Wald lieber einem Bären oder einem Mann begegnen würden. Die Mehrzahl der befragten Frauen zögert nicht lang und zieht den Bären dem Mann vor. Diese Entscheidung stößt in der Männerwelt nicht unbedingt auf Verständnis. Doch ganz eventuell geht es bei der Frage ja auch gar nicht darum, ein wildes Raubtier mit Menschen des männlichen Geschlechts zu vergleichen. Das überspitzte Bild dient viel mehr als Metapher. Denn nach einem Bärenangriff würde die Frau nicht gefragt werden, was sie anhatte oder ob sie dem Tier sicher nicht Signale zum Anfallen gegeben hätte. Der Bär würde seine Tat bestimmt auch nicht filmen und nicht nur Frauen angreifen, wird im Internet argumentiert. Überhaupt können sich die Frauen weitaus Schlimmeres vorstellen, was ein Mann ihnen antun könnte, als dass ein Bär sie „nur“ töten würde. Das klingt hart. Kein Wunder also, dass Männer das nicht gerne hören wollen. Dennoch ist es jetzt nicht an der Zeit, über realistische Überlebenswahrscheinlichkeiten für beide Situationen zu sprechen. „Von dem Ehemann, Ex-Partner oder einem Fremden umgebracht zu werden, ist eine Vorstellung, die erschreckenderweise wesentlich realistischer als das Bär-Szenario scheint.“ Die Debatte sollte alarmieren. Offenbar haben Frauen so viel Angst vor geschlechtsspezifischer Gewalt, dass andere Gefahren dagegen harmlos wirken. Gerade in Deutschland ist es sehr unwahrscheinlich, einem Bären zu begegnen, daher dürfte es kaum Erfahrungswerte geben. Wiederum hat wohl schon jede Frau eine Situation mit einem Mann erlebt, in der sie sich bedroht gefühlt hat. Laut den Vereinten Nationen war die Anzahl an Femiziden 2022 weltweit so hoch, wie seit 20 Jahren nicht mehr. Dieses Jahr im Februar wurden in unserem Nachbarland Österreich innerhalb von 4 Tagen sechs Frauen getötet. Von dem Ehemann, Ex-Partner oder einem Fremden umgebracht zu werden, ist eine Vorstellung, die erschreckenderweise wesentlich realistischer als das Bär-Szenario scheint. Statt also beleidigt zu sein, als größere Bedrohung wahrgenommen zu werden, sollten Männer sich fragen, was sie tun können, damit Frauen sich in ihrer Gegenwart sicherer fühlen. Bei der Frage nach Mann oder Bär muss das männliche Ego mal zurückstecken. Wer hier mit #NotAllMen argumentieren möchte, ist leider Teil des Problems. Ja, nicht alle Männer, aber immer noch zu viele. Es geht nicht um die Befindlichkeiten von Männern, sondern darum, Frauen zuzuhören und ihre Ängste ernstzunehmen. Dem Influencer, der die Diskussion ausgelöst hat, ging es primär darum, dass Männer reflektieren sollen, warum Frauen so entscheiden. Das hat nur so semi geklappt. Dennoch ist es gut, Gewalt an Frauen zum Thema zu machen. Ich persönlich würde mich auch für den Bären entscheiden: Paddington Bear würde ich nur zu gerne mal treffen, von mir aus auch im Wald.Zur Person:
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