Kein Verkehrskollaps durch bundesweiten Großstreik
Seit Mitternacht stehen Bahnen und Busse still, Flugzeuge sind am Boden geblieben. Mit einem bundesweiten Warnstreik machen die Gewerkschaften EVG und Verdi Druck in ihren Tarifverhandlungen.
Menschenleer sind die Bahnsteige im Erfurter Hauptbahnhof. Foto: dpa/Schutt
Der großangelegte Warnstreik bei Bahn, im Nahverkehr und an Flughäfen hat am Montag bisher kein Verkehrschaos in Städten und auf Autobahnen ausgelöst. Die meisten Pendler und Reisenden haben sich auf den bundesweiten Ausstand aus Sicht von Verkehrsexperten gut eingestellt. Größere Staus im Straßenverkehr wurden am Morgen nur vereinzelt von der Polizei gemeldet. Beim ADAC hieß es: „Wer kann, ist im Homeoffice geblieben.“ Sowohl an Bahnhöfen als auch an betroffenen Flughäfen blieb es wegen des ganztägigen Großstreiks weitgehend leer.
Zum Arbeitskampf hatten die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) sowie Verdi aufgerufen. Von dem 24-stündigen Warnstreik sind Millionen Berufspendler und Reisende sowie der Güter- und Schiffsverkehr betroffen. Der EVG-Vorsitzende Martin Burkert nannte die Aktionen notwendig und verhältnismäßig. „Es geht jetzt darum, dass diese Branche nicht abgehängt werden darf von der allgemeinen Lohnentwicklung“, sagte er am Vormittag in Potsdam.
Dort begann die dritte Verhandlungsrunde im öffentlichen Dienst. Verdi-Chef Frank Werneke rief die Arbeitgeber zum Entgegenkommen auf. „Es ist einfach Druck auf dem Kessel, weil die Beschäftigten es leid sind, sich jeden Tag mit warmen Worten abspeisen zu lassen, während die Arbeitsbedingungen immer schlechter werden und viele Stellen unbesetzt sind.“ In den Organisationsbereich von Verdi fielen die Warnstreiks im Nahverkehr in sieben Bundesländern, an nahezu allen Flughäfen sowie auf Wasserstraßen. Der Bahn-Fernverkehr war komplett eingestellt, der Regional- und S-Bahnverkehr in weiten Teilen.
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„An diesem überzogenen, übertriebenen Streik leiden Millionen Fahrgäste, die auf Busse und Bahnen angewiesen sind“, kritisierte ein Bahnsprecher. „Nicht jeder kann vom Homeoffice aus arbeiten.“ Nachteile hätten auch Unternehmen, die Güter per Schiene empfingen oder versendeten: „Gewinner des Tages sind die Mineralölkonzerne.“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte mit Blick auf die Verhandlungen im öffentlichen Dienst, sie habe viel Verständnis dafür, dass sich Reisende über die Einschränkungen im Bahnverkehr ärgerten. Ausdrücklich wies sie darauf hin, „dass wir hier nicht über den Bahnabschluss verhandeln und auch nicht mit der EVG verhandeln“. Tatsächlich betrifft der Warnstreik die Tarifverhandlungen, die die EVG mit Bahnunternehmen führt, sowie die für den öffentlichen Dienst. Faeser sagte: „Ich weiß, dass das Streikrecht ein Grundrecht ist und jeder hat das Recht, das auch jederzeit zu tun.“ Allerdings solle man darauf achten, dass die Aktivitäten auch passten.
Gleich mehrere Tarifkonflikte:
Verdi und der Beamtenbund dbb wollten mit Bund und Kommunen am Montag die Verhandlungen für 2,5 Millionen Beschäftigte wieder aufnehmen. Bei der EVG stehen Gespräche mit verschiedenen Bahnunternehmen ab Mitte der Woche an. Mit der Deutschen Bahn soll erst nach Ostern weiterverhandelt werden. An Flughäfen sind Kommunalbeschäftigte des öffentlichen Dienstes einbezogen, es geht aber auch um Verhandlungen für Bodenverkehrsdienste sowie Gespräche für die Luftsicherheit.
Bahn:
Die EVG bestreikt den Fern-, Regional- und S-Bahn-Verkehr. Der Fernverkehr wird eingestellt, der Regionalverkehr größtenteils zumindest zu Streikbeginn. Das betraf auch die Nordwestbahn: Züge fielen bis zum Nachmittag aus und wurden mit einem Busverkehr ersetzt. Auswirkungen dürften auch am Dienstag zu spüren sein. Fahrgäste, die für heute oder morgen eine Reise gebucht haben, können das Ticket laut Bahn bis 4. April flexibel nutzen. Platzreservierungen könnten kostenlos storniert werden.
Flughäfen:
Die Flughäfen werden von Verdi weitgehend bestreikt. 380.000 Geschäfts- und Privatreisende müssen laut Flughafenverband ADV am Boden bleiben. Betroffen ist auch der größte Airport in Frankfurt, aber auch der Flughafen München, der bereits gestern den Betrieb eingestellt hat. Erschwert werden nach Einschätzung der Branche so auch die Vorbereitungen für den Osterreiseverkehr.
Nahverkehr:
Erneut soll der Nahverkehr in den Bundesländern bestreikt werden, die direkt an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst angebunden sind. Das sind Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen. Gestreikt werden soll zudem in Bayern, wo ein Tarifvertrag Nahverkehr verhandelt wird. Aus mehreren Ländern hieß es, Schülerinnen und Schüler dürften zuhause bleiben, wenn sie nicht zur Schule kommen können.
Streiktag zum Start von dritter Tarifrunde:
Verdi und der Beamtenbund dbb verhandeln in Potsdam mit dem Bund und den Kommunen in der dritten Runde für 2,5 Millionen Beschäftigte. Beide Seiten sind noch weit voneinander entfernt, eine Einigung in den nächsten Tagen ist aber nicht ausgeschlossen. Der Chef des Beamtenbunds dbb, Ulrich Silberbach, warnte vor einer Ausweitung der Arbeitskämpfe. "Entweder wir hauen den Knoten durch und finden eine Einigung, oder wir stehen vor einer weiteren Eskalations- und Streikwelle", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Weitere Tarifverhandlungen:
Hintergrund der Arbeitskämpfe sind verschiedene Tarifkonflikte. Bei der EVG stehen weitere Gespräche mit verschiedenen Bahnunternehmen ab Mitte der Woche an. Mit der Deutschen Bahn soll erst nach Ostern weiterverhandelt werden. An Flughäfen sind Kommunalbeschäftigte des öffentlichen Dienstes einbezogen, es geht aber auch um örtliche Verhandlungen für Bodenverkehrsdienste sowie bundesweiten Gespräche für die Luftsicherheit. Bei Arbeitgebern stieß das koordinierte Vorgehen auf heftige Kritik – als reiner Warnstreik seien die Ausstände für die Bevölkerung so nicht mehr zu erkennen.