Im Urlaub auf dem Holzweg
Kolumne: Fernweh und Abenteuer sind für viele Menschen treue Reisebegleiter. Da würd' ich lieber am Schreibtisch bleiben...
Heiko Bosse | 24.10.2025
Kolumne: Fernweh und Abenteuer sind für viele Menschen treue Reisebegleiter. Da würd' ich lieber am Schreibtisch bleiben...
Heiko Bosse | 24.10.2025

Wenn hier bei uns im Oldenburger Münsterland der Herbst anklopft, zieht es manch einen noch einmal in die Sonne hinaus. Dann geht es nach Mallorca, Kreta oder in die Türkei – und wenn wir nicht auf den Taler gucken, dürfen’s auch die Copacabana oder Florida sein. Hauptsache irgendwohin, wo sich noch T-Shirt tragen lässt, während man sich ausmalt, wie es zwischen Friesoythe und Damme gerade bei 6 Grad Celsius nieselregnet. Und dann braucht es Abenteuer, die uns vor Augen führen, wie trostlos unser Alltag am Schreibtisch doch ist. Da balancieren die Menschen auf Slacklines über Schluchten hinweg oder seilen sich an Wolkenkratzern in Malaysia ab. Ein Foto auf der Brooklyn Bridge, mit Sonnenbrille und Starbucks-Kaffee – für die Mädelsgruppe und für Facebook. Welch ein Segen, dass ich mir das alles aus der Ferne vorstellen und es allen Weitreisenden gönnen darf. Dass ich mit Fliegern, Zügen und Bussen nichts zu tun haben muss. Wo ich mit meinem (eigenen) Auto nicht hinkomme, da muss ich auch nicht hin. Getreu dieser Devise packe ich am Wochenende meinen Koffer. Hinein kommen keine T-Shirts, was schon daran liegen mag, dass ich kein einziges besitze. Acht weiße Hemden, drei herbstliche Parfumflakons, Steppjacke und Daunenparka – mehr verlangt die Insel nicht von mir. In wenigen Tagen stapfe ich über den Holzweg durch die Dünen zwischen Wenningstedt und Kampen, und blicke über das Rote Kliff hinab auf all die Fußabdrücke im Sand, die noch von den letzten Ferientouristen erzählen. Ich zünde in St. Severin Keitum eine Kerze an, auf dass ich nun nicht am Flughafen von Kuala Lumpur stehen muss, und kaufe am Vertrauensschrank vorm alten Kapitänshaus ein Glas dänisches Apfelgelee. Ich werd’ mir nach dem ausgiebigen Strandspaziergang am Vormittag auf dem Edeka-Parkplatz in Westerland ein halbes Grillhähnchen mitnehmen – und daheim niemandem davon erzählen. Kurz vor Sonnenuntergang stehe ich dann bei Aussteiger Maurice Morell an der angesagten Suppenbude in List, verbrenne mir mit Kürbis-Ingwer die Schnute und erinnere mich an die Bilder, wie Sommertouristen hier unlängst eine Stunde anstehen mussten. Oder ich brate mir zum Rioja marinierte Lammfilets unterm Reetdach und denke an Neuseeland. Und während die anderen gerade in Rio mit dem Fallschirm von ’ner Klippe springen oder in Thailand mit Riffhaien tauchen, bin ich froh, wenn ich auf meiner rauen Nordseeinsel morgens mit dem linken Bein durch die Boxershorts komme, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Man soll sich über die kleinen Dinge freuen.Acht weiße Hemden, drei herbstliche Parfumflakons, Steppjacke und Daunenparka

Zur Person:
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