Samstag, 24. März 1945, 6.29 Uhr: 130 Kilometer nördlich von London startet US Air Force-Pilot Norman A. Trapp in Polebrook seinen viermotorigen Boeing-B-17 Bomber und fliegt Richtung Nazi-Deutschland. Sein Ziel ist das „Airfield Vechta“, der Vechtaer Flugplatz, der an diesem Tag dem Erdboden gleich gemacht werden soll.
Zwischen Kings Cliffe und Cromer in Norfolk sammelt er sich in 5000 Metern Flughöhe mit 177 weiteren B-17 und drei Dutzend Begleitjägern vom Typ Mustang P-51. Die stattliche Armada erreicht bei Leihoek in Holland den Kontinent und fliegt wie am Geodreieck lang ins Oldenburger Münsterland. Der Bomberstrom bewegt sich ohne Zwischenfälle, die Amerikaner werden unterwegs weder von deutschen Flaks noch von deutschen Jagdfliegern gestört und erreichen die kleine Stadt um zehn vor neun am Morgen.
Die Sonne scheint, die Sicht ist hervorragend und die charakteristische Silhouette der Vechtaer Zitadelle markiert unfreiwillig sauber das Zielgebiet. Der Angriff beginnt um 8.56 Uhr, dauert nur knapp 20 Minuten. In der kurzen Zeit regnen knapp 3000 Bomben auf das kleine Flugfeld im Nordwesten der Kreisstadt mit damals rund 9300 Einwohnern. Anschließend ist das Airfield ein gewaltiger Trümmerhaufen, aus dem sich die Bewohner bis in 50er-Jahre hinein bedienen. Baumaterial ist knapp nach dem Kriege, da kann man alte Ziegel und schräge Betonplatten gut brauchen.
„Auch dieser zweite Großangriff auf den Vechtaer Fliegerhorst verschonte den Rest der kleinen Stadt erstaunlicherweise fast gänzlich.“
Vechtas Flugplatz ist heute spurlos verschwunden. Er lag einst da, wo noch heute viele Straßen die Namen alter Flugzeugkonstrukteure tragen. Die Start-/Landebahn reichte sozusagen von Möbel Nemann bis zum Hochzeitswald und war bis 1936 ein reiner Sportflugplatz, von dem aus sogar Linienflüge nach Wangerooge abgingen. Im Krieg operierte Vechta vor allem als Nachtjagd-Basis – bis zum Spätsommer 1944, als sich das Blatt bekanntermaßen gewendet hatte. Die alliierte Luftflotte flog verheerende Angriffe gegen Deutschland, und Vechta geriet ins Visier, weil für die Eroberer jeder Flugplatz der Luftwaffe einer zu viel war. So zerstörte erstmals im August 1944 ein Verband aus 67 Liberator-Bombern weite Teile des Fliegerhorstes.
Doch das Reichsluftfahrtministerium ließ den Platz sogleich wieder flicken und verfügte zudem, die Bahn noch einmal zu verlängern, damit die gefürchteten Düsen-Messerschmidts dort hätten abheben können. Das wollten die Alliierten verhindern und befahlen die finale Platzhinrichtung 7 Wochen vor Kriegsende. „Bombing Nazi Jet Airfields at Vechta, Germany“, heißt der Einsatz im Flugbuch von USAF-Major Thomas Hutchinson: „Bombing results were pretty good“.
Auch dieser zweite Großangriff auf den Vechtaer Fliegerhorst verschonte den Rest der kleinen Stadt erstaunlicherweise fast gänzlich. Wegen hervorragender Sicht und null Gegenwehr gelang ein Präzisionsbombardement – im März vor 80 Jahren.
Zur Person:
- Christian Bitter ist Chef der Werbeagentur Bitter & Co. in Calveslage.
- Er studierte Germanistik und war Leiter der Werbe-Redaktion der OV.