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I got a hangover

Kolumne: Der Stoppelmarkt bleibt ein Thema. Denn wie manche Menschen sich vermutlich nicht nur dort verhalten, verursacht mir Übelkeit.

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„Na, haben Sie den Stoppelmarkt aus den Knochen?“ Oft gehört, selten kommentiert. Denn an sich ist die Frage so belanglos wie der Spruch zur allgemeinen Wetterlage. In diesem Jahr aber muss ich mein „Nein“ zu Papier bringen. Ich kann noch keinen Haken hinter diese Tage im August machen. Und das nicht etwa, weil ich so heftig gefeiert habe, dass die Katerstimmung bis September anhält. Sondern weil es Menschen gibt, deren Verhalten mir anhaltend Übelkeit verursacht. 

Menschen? Seien wir präzise: Es sind einige Männer. Nicht mehr ganz jung, aber auch noch nicht alt. Sie sind dort zu finden, wo das Partyvolk tobt. Wo die Crowd sportliche Höchstleistungen vollzieht, wenn sie zu „Bella Napoli“ durch die Nacht hüpft.

„Dann kommen die Typen näher. Schlängeln sich ran an die Beute, nutzen die Enge und setzen die ersten Handabdrücke auf Rücken und Po der Jugendlichen, die noch den ‚Traum von Neapel‘ träumen.“

Wie Felsbrecher stehen diese Namenlosen in der tobenden Menge und spähen aus, was unter 18, weiblich und niedlich ist. Ein Bild wie in einem Thriller, nur dass die Musik nicht passt. Im Film würden wir den Grusel nun hören. In der Realität nicht. 

Dann kommen die Typen näher. Schlängeln sich ran an die Beute, nutzen die Enge und setzen die ersten Handabdrücke auf Rücken und Po der Jugendlichen, die noch den „Traum von Neapel“ träumt. Manchmal war es das dann. Das Opfer kennt Stufe eins der sexuellen Belästigung bereits und nutzt seinerseits die Enge, um zu entkommen. Manchmal klappt das leider nicht. 

Die stellt sich aber auch an, die Hibbeler, mag mancher denken. Gab’s früher, gibt’s heute. Wer das nicht abkann, soll zu Hause bleiben. Oder sich zumindest keinen kurzen Rock anziehen.

Klar, das gab es immer. Macht es das besser? Nein. Das macht es schlimmer. Schlimmer, weil wir doch irgendwie gehofft hatten, die Gesellschaft habe sich weiterentwickelt. Und nur damit auch das ausgesprochen ist: Es geht nicht ums Flirten. Und es sind nicht nur Männer aus Familien, in denen Deutsch nicht die Muttersprache ist, deren ekelhaftes, übergriffiges Verhalten ich hier beschreibe. Meine Quellen sind verlässlich.

„Ich bin weder eine radikale Feministin noch die Alice Schwarzer aus dem OM. Aber wie wäre es mit einer lokalen MeToo-Debatte als Schritt eins?“

Vor vielen Jahren war ich auf einer Party. Ein Mitschüler wurde 16. Seine Eltern hatten das Gemeindehaus angemietet. Handys gab es noch nicht und trotzdem hatte sich in dem Dorf schnell herumgesprochen, wo an jenem Abend gute Unterhaltung garantiert war. Davon hörte wohl auch ein junger Mann. In dem Örtchen war er bekannt als Freund von Pils und Prügeleien. Als er dann beschloss, mich gegen meinen Willen näher kennenzulernen und einen Zungenkuss erzwang, war ich am Ende. Mit einer Freundin bin ich auf den angrenzenden Friedhof geflohen und habe dort gewartet, bis irgendwer Entwarnung gab. Ich habe mich unfassbar mies gefühlt. Noch dazu, weil Kommentare wie „Haste einen neuen Freund?!“ lange nicht aufhörten. 

Und nun? Ich bin weder eine radikale Feministin noch die Alice Schwarzer aus dem OM. Aber wie wäre es mit einer lokalen MeToo-Debatte als Schritt eins? Nicht, damit die Übergriffe normal und damit belanglos werden. Nicht um den jungen Mädchen direkt beizubringen, womit frau zu leben hat, wenn sie von Männern nicht als komplett grottig eingestuft wird. Sondern um Aufmerksamkeit für ein massives Fehlverhalten zu erzeugen, damit das mehr Unbeteiligte sehen und mehr sich finden, um „Stopp“ zu sagen oder die Security zu rufen. 

Der Kater nach einer heftigen Partynacht vergeht von allein. Falsch verstandene Männlichkeit aber bleibt ein Problem, wenn wir nichts tun.


Zur Person:

  • Anke Hibbeler ist Stellvertreterin der Chefredaktion.
  • Die Autorin erreichen Sie per Mail an redaktion@om-medien.de.

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