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Ein Leben zwischen Tür und Angel 

Kolumne: Von der Pike auf – „Die junge Generation ist halt langsamer“: Warum dieses Vorurteil nicht stimmt – und wieso wir mehr Dialog zwischen Alt und Jung brauchen.

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Eine Situation, die ich kürzlich mitbekommen habe, hat mich zum Denken angeregt. Ich war zu Besuch auf einem Weinfest. Das Publikum – wie zu erwarten – natürlich etwas älter als ich. Aber mich persönlich stört das überhaupt nicht. Im Gegenteil, ich höre mir gerne Geschichten aus anderen Generationen an und bin bereit, Neues dazuzulernen. Doch als ich mir am Imbissstand nebenan eine Pommes holen wollte, hörte ich einen älteren Mann etwas sagen, was mich kurzzeitig erschaudern ließ. 

„Die junge Generation ist halt ein bisschen langsamer“, rief er selbstbewusst in die Menge hinein. Zugegeben, die Schlange war wirklich etwas länger und auch das Personal definitiv nicht vom alten Eisen. Davon ließ ich mich im Gegensatz zu dem älteren Herren aber nicht stressen. Im Gegenteil, die Pommes Mayo war schnell in meinen Händen und freundlich bedient wurde ich auch noch. 

Dauerkrisen, psychische Belastung, Zukunftsangst, wachsende Armut...

Woher also kommen diese Vorurteile gegenüber jüngeren Menschen? Ich erschließe mir das so: Wir fordern mehr Freiräume, eine 4-Tage-Woche und mehr Diversität in der Gesellschaft. Für ältere Generationen wirkt das alles wie Neuland – ja, manchmal sogar wie eine Zumutung. Darüber hinaus war für viele der Babyboomer der Lebenslauf klar vorgezeichnet: Ausbildung, feste Anstellung, Ehe, Hausbau. Ein Leben mit Plan – und, zumindest gefühlt, mit Sicherheit. Für viele junge Menschen klingt das alles wie ein Märchen. Von einem eigenen Haus können wir bei den aktuellen Kaufpreisen nur noch träumen und Festverträge sind heutzutage rar gesät. 

Darüber hinaus sind wir eine Generation, die mit Dauerkrisen, psychischer Belastung, Zukunftsangst, wachsender Armut und zerbröckelnder Sicherheit aufgewachsen ist. Wir müssen irgendwie unser Leben in den Griff bekommen, uns aber zugleich auch darum sorgen, wie es um unsere Zukunft beschert ist. Das alles fühlt sich wie ein Leben zwischen Tür und Angel an. Für unsere Rente sieht es düster aus, die Welt zu entdecken ist, aufgrund der vielen Kriege, nur begrenzt möglich und dann – ja dann – müssen wir uns auch noch mit Vorurteilen herumschlagen. 

„Statt übereinander zu urteilen, sollten wir beginnen, uns über unsere Sorgen auszutauschen.“

Viel hilfreicher wäre es doch, wenn Alt und Jung miteinander ins Gespräch kämen. Wenn wir nicht jedes Thema mit einem „Früher war alles besser“ beiseiteschieben würden, sondern einander zuhören – ehrlich, offen, ohne Vorurteile und ohne die Anliegen des Gegenübers kleinzureden.

Statt übereinander zu urteilen, sollten wir beginnen, uns über unsere Sorgen auszutauschen. Denn Verständnis entsteht nicht aus Distanz sondern aus Dialog – über Generationen hinweg. 

Unsere Generation ist nicht langsam – sie ist erschöpft. Weil sie viel trägt. Weil sie kämpft. Weil sie versucht, eine Zukunft zu bauen, in einer Welt, die täglich bröckelt. Und das verdient nicht Geringschätzung – sondern Respekt. Also – redet mit uns, nicht über uns!


Zur Person:

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