Dürfen wir mit Ihnen über eine Hochzeit sprechen?
Meine Woche: Das Amt des Hochzeitsbitters ist mit vielen Pflichten verbunden. Doch am Ende überwiegen eindeutig die Vorteile.
Lars Hausfeld | 06.04.2025
Meine Woche: Das Amt des Hochzeitsbitters ist mit vielen Pflichten verbunden. Doch am Ende überwiegen eindeutig die Vorteile.
Lars Hausfeld | 06.04.2025

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Wir haben eklige Anstiege auf dem Rad bewältigt und rasante Abfahrten gemeistert. Haben den Schweinehund überwunden, die Kälte besiegt, dem Regen getrotzt. Wir haben nie aufgegeben für das eine Ziel. Das da lautete: Einladungskarten zu verteilen. Die Eingeweihten dürften eine Ahnung davon haben, worum es geht: um den anspruchsvollen Job des Hochzeitsbitters. Recht unbedarft habe ich dieses Amt vor fast genau einem Jahr angenommen. Wohl auch, weil ich schlechtes Karma befürchtete, wenn ich einem zukünftigen Bräutigam einen Wunsch abschlage. Besondere Kenntnisse zu diesem Brauch besaß ich nicht. Irgendwas mit bunten Rädern und einem Zylinder, das wusste ich – und auch, dass man damit irgendwelche Leute beglücken soll. Auf einer zuvor einberufenen Fachtagung inklusive Schnapsverköstigung wurde uns vier Auserkorenen der Beruf des Hochzeitsbitters erklärt. Danach schmückten wir unsere Räder, und es gab noch mehr Schnaps, sodass ich die meisten meiner Pflichten wieder vergaß. Vor der ersten Tour, das muss ich zugeben, war ich ein wenig aufgeregt. Es wurden einem die allerdollsten Dinge zugetragen: Hochzeitsbitter, die ihre Fahrräder nicht wiedergefunden hatten, mit zu starker Breitseite in den nächstgelegenen Graben abkippten oder gedankenverloren ihre Hüte vertauschten. Und dann schüttete es beim ersten Termin auch noch wie aus Kübeln. Tja. Wir nahmen uns die ersten drei Stationen vor. Die drei Haushalte wurden liebevoll Bermuda-Dreieck genannt. Zum einen, weil sie alle auf einem Fleck lagen. Zum anderen, weil man dort auch „untergehen kann“, wie wir aus zuverlässigen Quellen erfuhren. „Die Leute ließen uns herein. Vermutlich, weil wir zwar lustige Hüte aufhatten, aber nicht mit ihnen über Gott reden wollten.“ Doch der ungünstigen Ausgangslage zum Trotz: Es kam alles besser, viel besser. Von Tour zu Tour – oder besser: von Tür zu Tür – steigerten wir uns. Unser Quartett war so eingespielt, dass wir unseren Spruch am Ende vermutlich auch als Choral in verschiedenen Oktavstufen hätten vortragen können. Die Leute, die wir besuchten, waren ausnahmslos nett und ließen uns glücklicherweise alle herein. Vermutlich, weil wir zwar lustige Hüte aufhatten, aber nicht mit ihnen über Gott reden wollten. Es entwickelten sich Gespräche, die so in freier Wildbahn niemals stattgefunden hätten. Es wurden generationenübergreifende Bekanntschaften geschlossen, überraschende Verwandtschaftsverhältnisse aufgedeckt. Zudem habe ich gelernt, dass man bei den Jägern immer mit links trinkt. Und eine sinnstiftende Erkenntnis fürs Leben war, dass man mitunter auch in Schlangenlinien zum Ziel kommt. Fazit: Alkoh…, äh pardon, Tradition bringt die Leute nun mal doch zusammen. Eine Peinlichkeit blieb einem meiner Kollegen und mir aber nicht erspart: Natürlich vertauschten wir unsere Hüte. Die Gastgeber, die zuvor mit großer Entschlossenheit die Flasche mit dem Kräuterlikör kreisen ließen, reagierten mit Milde. Was unser aller Gesundheit nur zuträglich war. Unsere Pflicht jedenfalls ist nun fast getan: Alle Karten bis auf eine verteilt. Anschließend folgt noch ein Kurzauftritt vor der Trauung. Da sind wir zum Glück nur Randfiguren – aber mit lustigen Hüten.Vor der ersten Tour herrscht große Anspannung
Bei der Trauung sind wir nur Randfiguren
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