„Du bist doch die Tochter von …?“
Kolumne: Von der Pike auf – Es gibt Fragen, die klingen harmlos – und sind doch ein Lebensprogramm. Ganz vorne mit dabei: „Du bist doch die Tochter von …?“
Charlotte Arkenau | 03.11.2025
Kolumne: Von der Pike auf – Es gibt Fragen, die klingen harmlos – und sind doch ein Lebensprogramm. Ganz vorne mit dabei: „Du bist doch die Tochter von …?“
Charlotte Arkenau | 03.11.2025

Es gibt Fragen, die klingen harmlos – und sind doch ein Lebensprogramm. Ganz vorne mit dabei: „Du bist doch die Tochter von …?“ Dieser Satz hat etwas von einem verbalen Personalausweis. Kaum ausgesprochen, ist man nicht mehr man selbst, sondern die Verlängerung einer Blutlinie. Keine eigenen Hobbys, keine eigenen Fehler, kein eigenes Leben – man ist einfach nur: die Tochter von. Dabei ist das ja eine durchaus praktische Kategorie. „Die Tochter von …“ erspart lange Erklärungen. Niemand fragt nach meinem Namen, meinem Beruf oder meinen Ambitionen. Alles, was ich bin, wird in einem Familienstempel zusammengefasst. Manchmal fühle ich mich wie eine Unterabteilung in einem Konzern: Abteilung Nachwuchs, Zuständigkeit: Kaffee holen, Chaos stiften, später vielleicht mal einen Chefposten. Besonders schön wird es, wenn die Fragenden in Erinnerungen schwelgen. „Du bist doch die Tochter von …? Ach herrje, da weiß ich noch, damals …“  und schon sitze ich in einer Endlosschleife aus Anekdoten, die ich nie erlebt habe, die mich aber trotzdem angeblich definieren. Die Familie liefert ein Drehbuch, ich muss es nur aufführen. Natürlich hängt an diesem Satz auch immer ein unausgesprochenes Urteil. Manchmal höre ich darin ein wohlwollendes „Dann kann ja nichts schiefgehen“. Manchmal eher ein „Na, ob die wohl genauso wird wie …?“ Und manchmal klingt es schlicht wie eine Verwarnung: „Wir haben ein Auge auf dich, wir kennen dein Genmaterial.“ „Und wehe, du verhältst dich nicht so, wie man es von einer Tochter deiner Eltern erwartet.“ Und ja, es stimmt: Familie prägt. Wir haben gemeinsame Gesten, Redewendungen, Macken. Wir können uns alle beim Lachen identifizieren – wahrscheinlich sogar bei ausgeschaltetem Licht. Aber trotzdem frage ich mich manchmal: Wann kommt endlich der Moment, in dem jemand sagt: „Ach, Sie sind doch die Mutter von …?“ Nur um das Gleichgewicht ein wenig herzustellen. Hand aufs Herz: „Die Tochter von …“ zu sein, ist eigentlich wie ein lebenslanges Abo-Modell – nur ohne Kündigungsfrist. Du bekommst das Komplettpaket: Herkunft, Erwartungen, genetische Mimiken und Anekdoten, die du nie erlebt hast, aber trotzdem ständig erzählt bekommst. Und wehe, du verhältst dich nicht so, wie man es von einer Tochter deiner Eltern erwartet. Dann heißt es gleich: „Das hätte dein Vater beziehungsweise deine Mutter aber nie gemacht!“ Und trotzdem  will ich den Gedanken nicht so ganz aufgeben, irgendwann selbst die Hauptrolle in meinem eigenen Familienstück zu spielen. Ich freue mich schon auf den Tag, an dem jemand zu meiner Tochter sagt: „Ach, du bist doch die Tochter von …?“ Und sie dann mit einem theatralischen Augenrollen antwortet: „Ja, aber nur biologisch. Inhaltlich distanziere ich mich.“ Dann weiß ich: Ich habe alles richtig gemacht. Bis dahin bleibe ich eben das lebende Familienwappen mit Humor. Denn wenn schon „die Tochter von ...“, dann wenigstens mit Stil, Selbstironie und einer klaren Firmenphilosophie: Familie GmbH & Co. KG – Wir vererben Humor, keine Fußfesseln.Zur Person:
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