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Der Geist des „Dennoch“

Kolumne: Auf ein Wort – Im Hinblick auf all die Krisen in der Welt fängt man an, pessimistisch durchs Leben zu gehen. Dagegen gibt es eine Lösung: Sie lautet „Dennoch“.

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Wenn Sie diesen Text lesen, gehören Sie zu denjenigen, die sich über Zeitung oder digitale Medien über das Tagesgeschehen informieren. Auf der anderen Seite erlebe ich immer mehr Menschen, die genau das vermeiden. Der Grund: Krisen, wohin man schaut! Was wird in Teheran, Kiew, Moskau oder Washington als Nächstes geschehen? Womöglich kommen persönliche Themen hinzu, die von der nächsten Zukunft nichts Gutes erwarten lassen. Gegen diese Stimmung hat Albert Schweitzer, der legendäre Urwalddoktor, der auch ein bedeutender Theologe war, eine Art Zauberwort gefunden. Es heißt „dennoch“.

Schweitzer war kein naiver Schwärmer. Er hat als kritischer Zeitbeobachter die Zerstörungen durch die beiden Weltkriege erlebt. Als Arzt wollte Schweitzer dem Leben dienen. Das ist ihm auf eindrucksvolle Weise gelungen. Doch er trug zeitlebens auch eine pessimistische Tendenz in sich. Seine Kulturdiagnose der Moderne blieb düster: Die moderne Welt wird äußerlich immer fortschrittlicher. Doch sie entwickelt auch Technologien, die das Leben im Ganzen gefährden. Die Atomwaffen waren für ihn das dramatischste Beispiel dafür. Schweitzer selbst ließ sich nicht ganz von seinem Kulturpessimismus herunterziehen. In einer knackigen Formulierung sagt er es so: „Pessimismus ist Weltanschauung in Form einer Todesanzeige.“

„Ich wünsche uns allen heute diesen Geist des Dennoch. Er könnte uns ermutigen, uns auf eine neue Initiative, eine scheinbar verrückte Idee dennoch einzulassen.“

Dieser Pessimismus kann viele Gestalten annehmen. Ich erlebe in Gruppen und Gremien Menschen, die geradezu verliebt sind in das nächste Problem. Da bringt jemand eine Initiative, eine Idee ein und sofort dreht sich alles nur noch um das „Wenn und Aber“, um das Problematische. Auch im persönlichen Leben kann es negative „Glaubenssätze“ geben, die Menschen daran hindern, in eine Erfahrung der Liebe, der Freundschaft oder ein neues Projekt hineinzugehen. Sie denken nämlich von vornherein: „Ich werde auch diesmal wieder verletzt!“ Oder sie zweifeln: „Ob ich für diese Aufgabe wohl die richtige Person bin?“ Pessimistische Glaubenssätze sind Lebensverhinderer.

Ein Baum hilft ihm aus dem Pessimismus

Wie hat Albert Schweitzer aus der Falle des Pessimismus herausgefunden? Durch die Erfahrung des „Dennoch“. Schweitzer ist darauf bei einer Wanderung gestoßen. Einem Freund zeigt er in der Nähe seines Heimatortes einen Baum, der vom Sturm niedergerissen wurde. Dennoch begann der Baum grüne Zweige auszutreiben. Schweitzer erklärt seinem Freund: „Das ist mein philosophischer Baum. Denn er lehrt das Dennoch.“ Es ist dieser Geist des Dennoch, der Schweitzer angetrieben hat, dem Leben zu trauen. Denn das Leben besteht für diesen Mediziner und Theologen nicht nur aus Biologie und Physik. Es ist ein Geschenk des unendlichen, schöpferischen Geistes, den wir sehr konkret erfahren.

Solche Momente des Dennoch können wir selbst immer wieder erleben. Menschen wie Albert Schweitzer werden häufig von außen in ihrem Engagement ausgebremst. Kritiker fragen dann: „Warum tust du dir das an? Deine Initiative ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.“

Schweitzer ist dem leisen Impuls gefolgt, dem inneren „Dennoch“. Der Geist des „Dennoch“ war seine Antwort auf die Weltuntergangsstimmung seiner Zeit. Ich wünsche uns allen heute diesen Geist des Dennoch. Er könnte uns ermutigen, uns auf eine neue Initiative, eine scheinbar verrückte Idee „dennoch“ einzulassen.


Zur Person:

  • Pfarrer Dr. Marc Röbel ist Akademiedirektor der Katholischen Akademie in Stapelfeld.
  • Den Autor erreichen Sie per E-Mail an redaktion@om-medien.de.

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