Der Franke und das Schützenfest – fast eine Liebeserklärung
Kolumne: Das Leben als Ernstfall – Wenn man aus Süd- nach Norddeutschland zieht, ist neben den kleinen Biergläsern vor allem das Schützenfest ein Kulturschock.
Heiner Stix | 13.08.2025
Kolumne: Das Leben als Ernstfall – Wenn man aus Süd- nach Norddeutschland zieht, ist neben den kleinen Biergläsern vor allem das Schützenfest ein Kulturschock.
Heiner Stix | 13.08.2025

Mit dem norddeutschen Schützenfest verbindet den Franken an und für sich eher wenig. Franken, nur so als eingeschobenen landeskundlichen Unterricht, kommen aus der gleichnamigen Gegend im Norden Bayerns. Bekannte Vertreter sind Albrecht Dürer (der mit dem Hasen), Georg Simon Ohm (der mit dem Widerstand), Adolf Dassler (der mit den Schuhen), Max Grundig (der mit den Radios), Sophie und Hans Scholl (die aus dem Widerstand), Dirk Nowitzki (der mit dem Basketball) und Markus Söder. Das wiederum bringt uns Franken in einen echten Zwiespalt. Einerseits ist es ja schön, dass einer von uns Ministerpräsident ist. Aber muss es ausgerechnet der Söder sein? Worum es hier aber eigentlich gehen soll, ist das Schützenfest. Das nämlich lernt man als Franke erst kennen, wenn man – warum auch immer – nach Norddeutschland zieht. Franken feiern zwar auch gerne, aber bei uns heißt das dazugehörende Fest Kärwa. Also Kirchweih. Das hat mit Schießen gar nichts und mit Kirche inzwischen auch eher weniger zu tun. Deshalb also steht man in den ersten Jahren als Zugezogener eher fassungs- oder verständnislos vor so Sachen wie Königsschießen, grünen Uniformen, musikalisch untermalten Märschen durch den Ort sowie Königen und Königinnen jeden Alters. Nur das mit dem Trinken, das kennt der Franke – auch wenn dort das durchschnittliche Bierglas a) etwas größer, b) eher nicht aus Glas ist und c) Bierkrug heißt. „Kurz und gut: Dem Friesoyther Schützenfest fehlt irgendwie das Bierernste.“ Irgendwann aber hat es mich dann aber doch gepackt. Und ich glaube, das liegt vor allem an den Eigenheiten des Friesoyther Schützenfestes. Hier besteht die Uniform aus einer Jeans, einem weißen Hemd und einer wie auch immer gearteten, gerne auch ausgefallenen Kopfbedeckung. Das Gewehr ist ein Stock, an dessen Ende ein kleiner Blumenstrauß gebunden wird. Gerade mal zehn Männer – vier Fähnriche, vier Hauptmänner, der Adjutant und der General – tragen Uniform, und auch die wirkt mit Frack und Zylinder eher wie aus dem Fundus eines Opernhauses. Kurz und gut: Dem Friesoyther Schützenfest fehlt irgendwie das Bierernste. Es kann und will seine Herkunft aus dem militärisch organisierten Heimatschutz nicht verleugnen, hat aber, von einer Ausnahme abgesehen, den Sprung in die Gegenwart geschafft und nimmt sich selbst ein wenig auf die Schippe. Wie sonst soll man das bezeichnen, wenn hunderte überwiegend junge, meist auch nicht mehr ganz nüchterne Männer dem General beim Befehl: „Präsentiert das Gewehr“, ihre blumengeschmückten Spazierstöcke entgegenstrecken? Doch, ich mag mein Schützenfest. Den Trubel beim Kinder-Gilde-Fest, den Ernst beim Zapfenstreich, die entspannte Stimmung beim anschließenden Heiligabend, die Spannung vor dem und beim Königsschießen und die Ausgelassenheit am Montag. Ich freue mich auf das kommende Jahr – auch wenn ich das Fest wie seit vielen Jahren zum größten Teil wohl wieder nur arbeitend erleben werde.Zur Person:
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