Den Wohnzimmerschrank mit dem Bagger abstauben
Kolumne: Bauarbeiten vor der Haustür zeigen, wie wichtig Menschen sind, auf die man sich verlassen kann – auch für die Demokratie.
Dietmar Kattinger | 21.10.2025
Kolumne: Bauarbeiten vor der Haustür zeigen, wie wichtig Menschen sind, auf die man sich verlassen kann – auch für die Demokratie.
Dietmar Kattinger | 21.10.2025

Seit einigen Wochen haben wir einen Bagger vor der Türe, also vor dem „Haus der Caritas“ in Vechta. Wer zu Fuß vom Bahnhof in die Stadt läuft, sieht ihn: gelb, mächtig. Mit opulenter Schaufel. Der Höhepunkt war für mich der Moment, als genau diese Schaufel bis auf 1,5 Meter an mein Bürofenster rankam. Welchen Schutt er unterhalb meiner Fensterbank im zweiten Stock weggeräumt hat, konnte der Fahrer von seinem Führerhaus gar nicht mehr sehen, sondern musste sich auf das Kommando eines Kollegen auf einem Hubwagen verlassen. Der wiederum hat in luftiger Höhe mit offenen oder geschlossenen Handflächen kommandiert: Schaufel auf oder Schaufel zu! Zupacken oder loslassen! Ob ich Sorge hatte, dass der Baggerfahrer den falschen Knopf bedient und mich durch die Fensterscheibe im Büro besucht? Wollten Kolleginnen und Kollegen auch wissen. Nein, zu keinem Zeitpunkt. Der Baggerfahrer, ein netter, junger Mann, den ich und wir kennengelernt haben in den Wochen, seit er in Vechta bei uns abriss und ausgrub. Der filigran das gelbe Monstrum gesteuert hat. Vorsichtig den Ost-Flügel des früheren Arbeitsamtes Meter für Meter vom Dach bis zu den Fundamenten abgerissen hat. Gekonnt die Dämmung in den einen Container hat fallen lassen. Die hellbeige Metall-Verkleidung in den nächsten. Wahrscheinlich hätte er rabiater vorgehen können, brachialer. Fast mit Respekt hat er dagegen gearbeitet. Behutsam. Wahrscheinlich könnte er zu Hause seinen Wohnzimmerschrank mit seinem Bagger abstauben. „Wie wertvoll sind Menschen, auf die man sich verlassen kann.“ Der Satz aus Lukas 16,10 fällt mir ein: „Wer in den kleinsten Dingen zuverlässig ist, der ist es auch in den großen.“ Wie wertvoll sind Menschen, auf die man sich verlassen kann. Gerade in den kleinen Dingen. Am Tresen der Arztpraxis, beim Elektriker oder an der Fleischtheke. Das ist das, was jede und jeder von uns in diesen Tagen von Krisen und Wandel tun kann: konsequent an einer Sache dranbleiben. Verlässlich sein. Das jeweilige Gegenüber mit Respekt behandeln. Hanna Naber, Landtagspräsidentin, hat das jetzt eine Ebene höher gehoben. Im Blick auf die Demokratie, von der zu Recht alle sagen, dass sie geschützt werden müsse, hat die Oldenburgerin einmal konkret formuliert, wie das geht: „Würde, Respekt und Menschlichkeit“ nennt sie als die Dinge, die jeder in seinem Lebenskoffer brauche, um die Demokratie zu schützen. Eigentlich ganz einfach! Ihr Rat gilt für das Große und das Kleine. Und übrigens, falls Sie mal was abzureißen haben: Ich hab’ da einen Tipp für Sie!Zur Person
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