„Das Runde muss ins Runde!“
Kolumne: Auf ein Wort – Die kurze fußballfreie Zeit hat begonnen. Was bleibt sind Redewendungen, welche die schönste Nebensache der Welt nicht vergessen lassen.
Anke Lucht | 16.07.2024
Kolumne: Auf ein Wort – Die kurze fußballfreie Zeit hat begonnen. Was bleibt sind Redewendungen, welche die schönste Nebensache der Welt nicht vergessen lassen.
Anke Lucht | 16.07.2024
Die schwarz-rot-goldene Deko ist zurück in den Untiefen einer abseits gelegenen Schublade. Die Chipstüten sind so betrüblich leer wie die Bierflaschen. Im Fernsehgerät übernehmen wahlweise der schnappatmende Markus Lanz, die altbekannten sommerlichen Wiederholungen oder die geschätzten Streamingdienste wieder das Kommando. Kurzum: Die Männer-Fußball-EM 2024 in Deutschland ist Geschichte (an dieser Stelle noch ein herzliches „¡Felicitaciones por el título, la Furia Roja!“) Einfach abschütteln lassen sich die vergangenen 4 Wochen indes nicht. Mich jedenfalls verfolgt der Fußball mit den aus ihm abgeleiteten, mehr oder weniger geistreichen Lebensweisheiten und Sprüchen weiter. Oder bilde ich mir das nur ein? Jedenfalls stutzte ich unlängst bei einer Partie klassisches „Mensch-ärgere-Dich-nicht“, als einer der Mitbewerber mit einem fröhlich-spöttischen „Tja, es gewinnt halt der, der einen Treffer mehr macht als die anderen!“ sein letztes grünes Männeken ins Ziel schob. Währenddessen tummelten sich meine roten Figürchen tatenlos im zentralen Mittelfeld, trotz meiner mehrmaligen Ansage an sie: „Nach vorne, nach vorne!“ Immerhin gelang mir dem Matchwinner gegenüber mit der wohlplatzierten Aussage „Zuerst hatte ich eben kein Glück, dann kam auch noch Pech hinzu“ ein Konter. Den ernüchternden Gedanken, dass man eben manchmal verliert und beim nächsten Mal die anderen gewinnen, behielt ich indes lieber für mich. „Sie sehen, ich habe einen Auftakt nach Maß in die kurze fußballfreie Zeit bis zum Start der neuen Bundesliga-Saison erlebt.“ Nicht immer freilich gelingt die Übertragung von Fußballweisheiten in andere Lebensbereiche passgenau. Auf einem Minigolfplatz vernahm ich kürzlich die Stimme eines Vaters, der seinen Kindern einschärfte: „Die Null muss stehen!“ Bislang dachte ich immer, beim Minigolf ließe sich pro Bahn kein besseres Ergebnis als die Eins erzielen. Aber vielleicht hatte hier ja die Hand Gottes ein Wunder bewirkt. Immerhin konnte ich mich gerade noch bremsen, den Kindern im Hinblick auf den Minigolfball den schlauen Tipp „Das Runde muss ins Runde!“ mitzugeben – das wussten die munter einlochenden Kleinen offensichtlich bereits. Dass besagter Ball rund war und das Spiel damit etwa 90 Minuten ohne Verlängerung dauerte, sei nur am Rande erwähnt. Einen positiven Einfluss auf den Nachwuchs zu nehmen, versuchte ebenfalls jene Mutter, die auf dem Spielplatz in der Nachbarschaft unlängst drei kleine Raufbolde voneinander trennte. Mahnend hielt sie ihnen vor: „Ihr sollt euch nicht dauernd streiten – Freunde sollt ihr sein!“ Von elf Freunden war nicht die Rede, das gab die Zahl der Streithähne schließlich nicht her. Mein EM-gewöhntes Hirn stellte in der Tiefe des Raums dennoch unmittelbar eine gedankliche Verbindung zum Fußball her. Ähnliches ließ sich auch letztens im Supermarkt nicht vermeiden. „Gib mal die Kirschen!“, rief in der dortigen Obstabteilung eine Frau ihrem Begleiter zu. Zugegeben, sie verwendete in ihrem Satz weder fälschlicherweise ein „mich“ noch „Kirsche“ im Singular – und trotzdem rollte vor meinem inneren Auge wieder ein Fußball. Er rollte ungebremst weiter, als ich einige Gänge weiter einen Kunden zu seiner Partnerin sagen hörte: „Eier, wir brauchen Eier!“ Er muss es wissen, dachte ich mir meinen Teil. Sie sehen, ich habe einen Auftakt nach Maß in die kurze fußballfreie Zeit bis zum Start der neuen Bundesliga-Saison erlebt. Und da es im Urlaub weder nach Mailand noch nach Madrid und erst recht nicht nach Italien geht, werde ich bis dahin wohl weiter, immer weiter in meiner Muttersprache Sätze und Sprüche hören, die mich die schönste Nebensache der Welt nicht vergessen lassen. Ich habe fertig.Zur Person
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