Die britische Corona-Mutation B.1.1.7 hat den Kreis Vechta erreicht – und beeinflusst bereits die Infektionszahlen. Schon kurze Kontakte können bei der ansteckenderen Variante für eine Übertragung sorgen. Die Behörde hat reagiert und die Teststrategie angepasst. Doch wie geht das Gesundheitsamt derzeit vor?
Grundsätzliche Teststrategie:
Mit PCR-Tests, die für den Nachweis einer Corona-Infektion eingesetzt werden, sollen nach Empfehlung des Robert-Koch-Instituts (RKI) in erster Linie nur symptomatische Personen getestet werden. Das Institut hat zu diesem Zweck auf seiner Homepage ein Flussschema mit Testkriterien für Ärzte veröffentlicht. Eine Entscheidungshilfe kann etwa sein, wenn es sich um schwere Symptome einer Atemwegserkrankung handelt, der Geschmacks- und Geruchssinn gestört sind oder der Patient Kontakt mit einem bestätigten Coronafall hatte. Am Ende liegt die Entscheidung hier bei den behandelnden Hausärzten, betont Gesundheitsamtsleiterin Sandra Guhe.
Einfache Symptome wie Husten oder Schnupfen reichen derzeit nicht aus, um getestet zu werden – es sei denn, es handelt sich um Personen aus Risikogruppen oder Beschäftigte aus der Pflege und dem medizinischen Bereich. Wie berichtet, hat das RKI seine Empfehlungen im November 2020 geändert. Hintergrund: Angesichts der mit den Herbst- und Wintermonaten einsetzenden Erkältungs- und Grippewelle sollen Kapazitäten gespart werden. Labore hatten zuvor wegen steigender Testzahlen vor einer Überlastung gewarnt.
Von einer ungezielten Testung von Personen ohne Symptomen rät das RKI aufgrund "der unklaren Aussagekraft eines negativen Ergebnisses (lediglich Momentaufnahme)" ab. Grundsätzlich gilt: Je wahrscheinlicher es ist, dass sich eine Person infiziert hat, desto höher ist auch die Aussagekraft eines positiven Tests und umgekehrt. Nur wenn es sich um enge Kontaktpersonen der Kategorie 1 (höheres Infektionsrisiko) handelt, wäre dies aus RKI-Sicht ein Anlass für einen Abstrich von Personen ohne Symptomen.
Zudem gibt die vom Bundesgesundheitsministerium erlassene Coronavirus-Testverordnung (TestV) eine nationale Teststrategie vor. Darin ist unter anderem geregelt, wer in welchen Fällen wann auf einen Test Anspruch hat, wann die Krankenkasse die Kosten übernimmt und wo etwa präventiv Schnelltests verpflichtend eingesetzt werden sollten. Je nach Situation kann diese Teststrategie vor Ort von den kommunalen oder auch Landesbehörden erweitert werden. So hat der Landkreis Vechta am Mittwoch eine neue Allgemeinverfügung erlassen, die ab 19. Februar vorsieht, das auch Beschäftigte aus medizinischen Bereichen wöchentlich einen Schnelltest machen müssen. Näheres – etwa Schnelltestungen in Alten- und Pflegeheimen und Einrichtungen für Menschen mit Behinderung sowie der Besucher dieser Einrichtungen – regelt zudem die niedersächsische Corona-Verordnung.
Wann ist das Vechtaer Gesundheitsamt zuständig?
Symptomatische Personen, die sich nicht in angeordneter Quarantäne befinden, werden also vor allem durch die Hausärzte getestet. Positive Testergebnisse müssen dann an das Gesundheitsamt gemeldet werden – negative Tests nicht. Da das Gesundheitsamt in der Pandemie-Bekämpfung zentral für die Kontaktermittlung und Eindämmung der Virusausbreitung zuständig ist, nimmt die Behörde überwiegend Abstriche bei Kontaktpersonen. Das Ziel: Weitere Infektionen aufspüren, Infektionsketten identifizieren und die Virusausbreitung durch Quarantäne unterbinden (sogenannte Vorwärtsermittlung).
Zu diesem Zweck werden wie bisher alle Kontaktpersonen der Kategorie 1 in Quarantäne gesetzt und am Tag nach der Ermittlung getestet, berichtet Guhe. Werden die engen Kontaktpersonen später –also während der Quarantäne – symptomatisch, werden sie an den Hausarzt oder ggf. an das Testzentrum des Landkreises verwiesen. Die Quarantäne konnte bisher bei einem negativen Abstrich frühzeitig am 10. Tag verlassen werden. Diese Möglichkeit hat das RKI wegen der Mutationsausbreitung aber gestoppt. Eine 14-tägige Quarantäne ist für die Infizierten und die K1-Kontakte damit verpflichtend.
Auch alle engen Kontaktpersonen von einem infizierten Haushaltsmitglied, die während der Quarantäne nicht positiv getestet worden sind, werden im Kreis Vechta nicht ohne einen negativen Test aus der Quarantäne entlassen, so Guhe. Das RKI sieht hier bisher maximal 14 Tage Isolation vor. Zudem gilt: Wenn Infizierte nach 14 Tagen weiterhin Symptome zeigen, nimmt das Gesundheitsamt erneut einen Abstrich.
Umgang mit Corona-Mutationen:
"Das Testen asymptomatischer Kontaktpersonen ist eine Einzelfallentscheidung und erfolgt nach Maßgabe des zuständigen Gesundheitsamtes", erklärt Guhe. Um den Ursprung bei bestimmten Ausbrüchen bzw. Infektionsherden zu ermitteln (sogenannte Rückwärtsermittlung), untersucht der Kreis Vechta aber in manchen Fällen auch Kontaktpersonen der Kategorie 2. Dies sei derzeit im Zuge der Corona-Mutationen der Fall. Die Behörde habe im Zuge des aktuellen Infektionsgeschehens die Erfahrung gemacht, dass häufig auch die „Kontaktpersonen von Kontaktpersonen“ eines Infizierten Corona-positiv waren. Der Kreis geht hier also über die Empfehlungen hinaus.
Zudem gilt für Personen, die sich nachweislich oder mit großer Wahrscheinlichkeit mit einer veränderten Virusvariante angesteckt haben: Die Quarantäne endet nach 14 Tagen nur, wenn ein zusätzliches negatives Testergebnis vorliegt. Auch hier ging der Landkreis Vechta über die Empfehlung hinaus. Das RKI hat am 16. Februar nachgezogen und rät in solchen Fällen nun ebenfalls zu einem weiteren PCR- oder Schnelltest vor der Entlassung aus der Quarantäne.
Reihentests in Gemeinschaftseinrichtungen:
Daneben werden unverändert Reihentestungen in Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern und anderen sozialen Einrichtungen durchgeführt, um einen Überblick über die Verbreitung der Infektionsketten zu erhalten. Voraussetzung ist, dass ein Verdacht für ein größeres Ausbruchsgeschehen vorliegt – etwa bei mehreren positiven Schnelltests oder mehreren symptomatischen Personen. Diese Gemeinschaftseinrichtungen sowie sogenannte "Super-Spreading-Events" haben aufgrund der Vielzahl von Kontakten bei der Nachverfolgung für die Behörden eine Priorität.
So haben sich die Testzahlen im Kreis Vechta zuletzt entwickelt:
Die Änderung der Teststrategie spiegele sich in einer steigenden Zahl an Abstrichen wider, hatte Guhe am vergangenen Donnerstag berichtet. So wurden vom 1. bis einschließlich 8. Februar 2.344 Testungen durch das Gesundheitsamt veranlasst. Die Zahl der Testungen ist damit im Vergleich zum Januar erheblich angestiegen. Im vorherigen Monat wurden insgesamt 1.364 Abstriche genommen.
Den Anstieg der Zahlen in der ersten Februarwoche begründet die Behörde mit dem Ausbruchsgeschehen und der Änderung der Strategie: Das derzeitige Infektionsgeschehen im Kreis Vechta basiere auf mehreren lokalen Ausbrüchen, die gut eingrenzbar seien. Betroffen waren nach Angaben in den täglichen Pressemitteilungen seit dem 31. Januar bis zum 8. Februar mindestens folgende Einrichtungen im Kreisgebiet: Werkstatt Andreaswerk Steinfeld; Werkstatt Andreaswerk Lohne; Wohnheim Andreaswerk Lohne; Kindergärten in Langförden, Visbek, Vechta, Oythe, Lohne und Lutten; eine Altenpflegeeinrichtung in Neuenkirchen-Vörden, eine Grundschule in Vechta sowie die Krankenhäuser in Lohne und Vechta.
Bei all diesen gemeldeten Ausbruchsgeschehen handelt es sich um die bereits erwähnten Gemeinschaftseinrichtungen. In allen betroffenen Einrichtungen hat die Behörde daher mindestens eine Reihentestung weiterer Kontaktpersonen durchgeführt. Im Krankenhaus Vechta wurde beispielsweise das gesamte Personal (etwa 1.400 Personen) in dem genannten Zeitraum abgestrichen. Die Vielzahl der Testungen ist damit vor allem auf die zahlreichen Reihentests von Kontaktpersonen der 1. aber auch der 2. Kategorie zurückzuführen.
Im Januar ist die Anzahl der genommenen Abstriche allerdings erheblich gesunken: Im gesamten Monat liegt die Zahl bei 1.364 durchgeführten PCR-Tests. In der ersten Dezemberwoche waren es alleine zwischen dem 2. und 9. Dezember 1.023 Abstriche. Wieso wurde also im Januar vergleichsweise so wenig getestet? Guhe erklärt auf Nachfrage, das auch hier das Ausbruchsgeschehen eine zentrale Rolle spielt. Im Januar habe es zeitweise deutlich weniger Neuinfektionen gegeben. Das bedeute in der Folge, dass es auch weniger Kontaktpersonen gibt, die von diesen Fällen ausgehen und somit vom Gesundheitsamt getestet werden.
Schaut man sich die Zahlen des Januars im Detail an, so lässt sich zudem erkennen, dass nur an bestimmten Tagen die Zahl der Tests bei mehr als 100 Abstrichen pro Tag lagen. An diesen Spitzentagen wurden ebenfalls Reihentests durchgeführt – zu Beginn des Monats in einem Wohnheim des Andreaswerkes Vechta (Ende Dezember waren dort mehrere Fälle bekannt geworden), später dann vor allem in der Altenpflegeeinrichtung Haus St. Franziskus Goldenstedt. Daneben gab es noch Ausbrüche in einer Goldenstedter Arztpraxis mit etwa 200 ausgehenden Personen in der Kontaktverfolgung sowie einem Goldenstedter Kindergarten. Ende des Monats kamen dann Neuinfektionen in einer Steinfelder und einer Langfördener Kita sowie einer Großtagespflege in Visbek hinzu. Kurz darauf stieg auch die Zahl der wieder etwas an.
Die Entwicklung der Testzahlen ist damit also zum einen abhängig von der Teststrategie der örtlichen Gesundheitsbehörden. Je nachdem wie großzügig die Ämter Abstriche nehmen – etwa nur K1-Kontakte oder auch K2-Kontakte sowie von symptomatischen und asymptomatischen Personen – spiegelt sich dieses Vorgehen in den Testzahlen wider. Auch Änderungen der Strategie zeigen sich durch Anstiege bzw. Rückgänge der genommenen Abstriche. Zugleich hat das Infektionsgeschehen vor Ort und die Art der Ausbrüche einen erheblichen Einfluss auf die Menge an durchgeführten Tests. Je mehr soziale Einrichtungen betroffen sind, desto höher ist auch die Zahl der Kontakte und damit der durchgeführten Corona-Tests.