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Trügerisches Licht am Ende des Tunnels

Sinkende Fallzahlen und 7-Tagesinzidenz: In der Statistik des Landkreises Cloppenburg sieht es nach einer Entspannung der Corona-Lage aus. Der Schein könnte trügen. Denn: Es wird weniger getestet.

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Symbolfoto: dpa

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Der Landkreis Cloppenburg – lange Zeit war er der Corona-Hotspot in Niedersachsen. Wochenlang wurden die landesweit höchsten Infektionszahlen vom Cloppenburger Gesundheitsamt gemeldet – doch seit Anfang Dezember scheint sich das Blatt gewendet zu haben. Ausgerechnet in einer Phase, in der landes- und bundesweit die Zahlen in die Höhe schnellen, gehen sie hier wieder runter – und das in auffallend großen Schritten. Doch ob es sich um einen echten Rückgang beim Infektionsgeschehen im Kreis Cloppenburg handelt, ist fraglich. Denn auch die Zahl der durchgeführten Tests ist deutlich gesunken. Das hat eine Recherche von OM online ergeben.

Während die aufgedeckten Fälle zwar sinken, könnte die weitaus brisantere Dunkelziffer – also die Zahl der nicht-diagnostizierten Infektionen – ansteigen. Der Grund: Im Vergleich zum Vormonat ist die Zahl der vom Gesundheitsamt veranlassten Abstriche nach unten gegangen. Ein Blick auf die Grafik zeigt: Die aktuellen Testungen liegen mehr als deutlich unter dem November-Niveau.

Grund dafür ist ein Wechsel in der Teststrategie, wie Kreissprecher Frank Beumker gegenüber OM online bestätigte. Bereits Mitte November hat das Robert-Koch-Institut neue Kriterien veröffentlicht, nach denen getestet werden soll. Ein Kriterium sind zum Beispiel "schwere respiratorische Symptome" – Husten und Schnupfen reichen also nicht mehr aus, um wie während der Sommermonate getestet zu werden. Weitere wichtige Änderung: Ein Abstrich wird nur bei engen Kontaktpersonen, die im selben Haushalt des Infizierten leben, genommen.

Heißt: "Bei K1-Kontaktpersonen außerhalb des eigenen Haushalts wird nach der Empfehlung des Robert-Koch-Instituts und der entsprechenden Allgemeinverfügung des Landkreises in der Regel kein Abstrich durch den Landkreis veranlasst", bestätigt Kreissprecher Frank Beumker gegenüber OM online. Erst wenn eine diese Kontaktpersonen außerhalb des Haushalts Symptome zeigt, werde ein Test veranlasst.

"Die Zahl der Abstriche durch den Landkreis Cloppenburg hat sich in den letzten Wochen durch die Änderung reduziert."Kreissprecher Frank Beumker

Das RKI hatte am 11. November mit dem Wechsel in der Teststrategie auf die beginnende Grippe- und Erkältungswelle reagiert. Während der Wintermonate ist laut RKI-Angaben bundesweit jede Woche mit bis zu 5 Millionen Menschen mit Erkältungssymptomen zu rechnen. Daher sei es unmöglich, alle diese Kranken auf das Coronavirus zu testen, erklärte das RKI. Tatsächlich liegt die weiterhin nahezu ausgereizte Kapazität aktuell bei 1,77 Millionen PCR-Tests pro Woche. Das berichtet der Berufsverband der Akkreditierten Medizinischen Labore (ALM) in Deutschland am 8. Dezember in einer Pressemitteilung.

Dieser Wechsel der Teststrategie schlägt sich auch in den Zahlen des Landkreises nieder.  "Die Zahl der Abstriche durch den Landkreis Cloppenburg hat sich in den letzten Wochen durch die Änderung  reduziert", räumt Beumker ein.

Wie deutlich diese Reduzierung ist, zeigt ein Vergleich der ersten November-Woche mit der ersten Dezember-Woche. Während vom 2. bis 9. November im Testzentrum des Landkreises Cloppenburg und von den mobilen Teams des Cloppenburger Gesundheitsamtes 1486 Abstriche genommen und ins Labor geschickt wurden, waren es vom 2. bis 9. Dezember nur 491.  Die berechtigte Frage: Weniger Tests, weniger Fälle?

Kreissprecher Frank Beumker verweist darauf, dass im Landkreis Cloppenburg nach wie vor "überdurchschnittlich viel getestet" werde, jenseits der Zahlen des Gesundheitsamtes – "allein durch die ständigen Testungen in den Betrieben der Fleischwirtschaft, die zu den Testungen verpflichtet sind", so Beumker. Außerdem habe der Landkreis angeordnet, dass Mitarbeiter in Alten- und Pflegeeinrichtungen zweimal die Woche mit einem Antigen-Schnelltest getestet werden. "Auch diese Strategie erhöht die Anzahl der Testungen", so Beumker.

Im Landkreis Vechta ist die Zahl der Testungen hingegen nicht reduziert worden. Ganz im Gegenteil: Während im Vechtaer Testzentrum und von den mobilen Teams des Gesundheitsamtes vom 2. bis 9. November 841 genommen wurden, sind es zwischen dem 2. und 9. Dezember sogar noch mehr gewesen – nämlich 1023. Das ergibt ebenfalls eine Anfrage an die Vechtaer Kreisverwaltung von OM online.

"Je mehr Infektionen identifiziert werden, desto geringer ist die Dunkelziffer."Sandra Guhe, Leiterin des Vechtaer Gesundheitsamtes

Dort sieht man offenbar auch einen Zusammenhang zwischen den Testzahlen und dem Umstand, dass der Landkreis Vechta am Freitag die niedersachsenweit höchste 7-Tagesinzidenz gemeldet hat. "Neben dem Infektionsgeschehen wirkt sich natürlich auch die Zahl an Tests auf die Inzidenzzahl aus. Je mehr Testungen durchgeführt werden, desto mehr Infektionen können identifiziert werden", erklärt Gesundheitsamtsleiterin Sandra Guhe und ergänzt: "Je mehr Infektionen identifiziert werden, desto geringer ist die Dunkelziffer."

Bei der Dunkelziffer spielt die Positivrate eine wichtige Rolle. Die ist auf Landkreisebene allerdings nicht zu ermitteln. Denn dafür müssten sämtliche Tests, auch jene die durch Hausärzte oder privat auf eigene Kosten veranlasst wurden und negativ ausfielen, behördlich erfasst werden. Den Gesundheitsämtern werden allerdings nur positive Testergebnisse von den Fremdlaboren übermittelt.

In seinem aktuellen Bericht vom 8. Dezember schätzt der Berufsverband der Akkreditierten Medizinischen Labore, dass bundesweit aktuell 10,4 Prozent der durchgeführten Tests positiv ausfallen. Das ergibt eine Datenanalyse von 169 deutschen Laboren. Dieser Wert ist im Vergleich zur Vorwoche deutlich angestiegen. Die Positivrate ist für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein wichtiger Indikator dafür, ob das Infektionsgeschehen in einem Land unter Kontrolle ist. Als Richtwert gibt die WHO 5 Prozent an. Deutschland liegt also deutlich darüber.


Ein Kommentar zu dem Thema von Matthias Bänsch (Redakteur):

Rutschen wir jetzt ins Tal der Ahnungslosen? Der Landkreis Cloppenburg war und ist immer noch ein Hotspot – er hat zeitweise sogar bundesweit mit die höchsten Infektionszahlen gemeldet. Die Folge waren (berechtigte) Einschränkungen und Allgemeinverfügungen. Die sind in jüngster Zeit aber nicht nachjustiert worden. Warum also ausgerechnet jetzt dieser deutliche Rückgang der Infektionszahlen? Dass zeitgleich die Zahl der Tests derart gedrosselt wurde, weckt Misstrauen.

Das Cloppenburger Gesundheitsamt mag sich ja an die Vorgaben des Robert-Koch-Institutes halten – das darf man aber auch den Kollegen des Vechtaer Gesundheitsamts unterstellen. Und dort ist das Test-Pensum offenbar sogar gestiegen.

Können die Zahlen das tatsächliche Infektionsgeschehen im Kreis Cloppenburg so überhaupt abbilden? Eine steigende Dunkelziffer wäre (nicht nur im Kreis Cloppenburg) gefährlich – vor allem mit Blick auf die Todesfälle. Und diese Zahl ist in den vergangenen zwei Wochen auch im Landkreis Cloppenburg leider weiter deutlich angestiegen.

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