„Empfänger unbekannt“ im Vechtaer Metropol
Axel Pape und Rainer Appel lassen einen Briefwechsel lebendig werden. Es geht um Verrat und das Gift des Nationalsozialismus.
Christoph Heinzel | 12.11.2025
Axel Pape und Rainer Appel lassen einen Briefwechsel lebendig werden. Es geht um Verrat und das Gift des Nationalsozialismus.
Christoph Heinzel | 12.11.2025

Aus den Freunden Max (links, Axel Pape) und Martin (rechts, Rainer Appel) werden Gegner. Foto: Heinzel
„Empfänger unbekannt“ ist kein lautes Stück. Es ist ruhig inszeniert. Das verstärkt die Dramatik des Inhalts dieser szenischen Lesung. Denn das Stück auf Basis eines Buchs von Katherine Kressmann Taylor verlangt den Zuschauerinnen und Zuschauern wie jetzt im Metropol Theater Vechta einiges ab. „Empfänger unbekannt“ ist Kressmanns wohl bekanntestes Werk und wurde 1939 als Briefroman veröffentlicht. Es spielt zu Beginn der NS-Herrschaft und erzählt das Ende der Freundschaft zwischen dem amerikanischen Juden Max (Axel Pape) und dem Deutschen Martin (Rainer Appel). Beide betreiben zunächst gemeinsam eine Galerie in San Francisco. Das Gift des Nationalsozialismus indes tötet ihre Beziehung. Der minutenlange begeisterte Applaus im Metropol Theater Vechta war mehr als verdient. Der Briefwechsel, den der auch aus dem TV bekannte Schauspieler Axel Pape und Rainer Appel in ihren Rollen vortragen, berührte die Zuschauer. Sie durchlebten die unterschiedlichsten Emotionen wie Freude, Hoffnung, Unglaube, Wut, Resignation, Trauer, Erschütterung und Genugtuung. Der Briefwechsel legt gerade bei Martin schonungslos offen, wohin Egoismus und Brutalität führen können. Die Kulmination dieser Entwicklung ließ auch in Vechta das Publikum sprachlos und erschüttert zurück. Anfangs schreibt Martin: „Wie arm mein trauriges Vaterland ist.“ Daraus wird später: „In vieler Hinsicht ist Adolf Hitler ein Segen für Deutschland.“ Zu diesem Zeitpunkt hegt er noch leichte Zweifel am Kurs des deutschen Reichskanzlers. Er sieht die Judenhetze durch den Pöbel der Sturmabteilung (SA) als notwendige Randerscheinung, denn „es geht aufwärts. Die alte Verzweiflung ist abgeworfen“. Eine Entwicklung, die Max in den USA nicht fassen kann. Doch sein „Freund“ legt ihm seine neuen Vorstellungen klar offen, dass die „jüdische Rasse ein Schandfleck für jede Nation ist“ und er mit ihm befreundet ist, nicht wegen, sondern trotz seiner Rasse. Max müsse doch verstehen, dass das Leid einiger nichts sei im Vergleich zu dem, was Millionen gewinnen können. Lange genug habe man das „bittere Brot der Schande“ gegessen, nun passiere die „Wiedergeburt des neuen Deutschlands“. Und so schreibt Max: „Dein letzter Brief hat mich zutiefst verstört.“ Es seien nicht die Worte des Menschen, den er „wie einen Bruder geliebt habe“. Das Ganze spitzt sich zu, als Max keinen Kontakt mehr zu seiner kleinen Schwester Gisela aufbauen kann. Er befürchtet, dass ihr etwas passiert ist und wendet sich hoffnungsvoll an Martin, der einst eine „stürmische Affäre“ mit Gisela hatte, und bittet diesen um Hilfe. „Ich gehe ins Haus und nach ein paar Minuten hört sie auf zu schreien.“ Die Antwort von Martin verfolgt einen noch lange, da sie eine Kälte, Ich-Bezogenheit und Empathielosigkeit offenbart, die erschüttert. Gisela flüchtet zu ihm; Martin überlässt sie der SA. Er schreibt später an ihren Bruder die Worte: „Ich gehe ins Haus und nach ein paar Minuten hört sie auf zu schreien.“ Den Brief an ihren Bruder leitete er übrigens mit „Heil Hitler! Deine Schwester ist tot“ ein. „Empfänger unbekannt“ ist absolut sehenswert, bewegend und aufwühlend sowie ein Zeichen gegen die Entmenschlichung und Verfolgung ganzer Menschengruppen. Es zeigt, wie wichtig es ist, für demokratische Werte und Rechte einzustehen und zu kämpfen. Viel Applaus für Pape und Appel


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