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Ein neuer Fund in Vechta und ein Aufruf: Stiftung sammelt die letzten Erinnerungen an Rolf Dieter Brinkmann

Vieles ist über den Schriftsteller bekannt. Zum Beispiel: Rolf Dieter Brinkmann war als Gymnasiast Mitglied der altehrwürdigen Theatergruppe Rhetorica. Wer weiß mehr – und will davon erzählen?

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Großes Theater: Rolf Dieter Brinkmann gehörte ab 1956 zum Ensemble der Rhetorica Vechtensis, der traditionsreichen Theatergruppe des Gymnasium Antonianum. Foto: Chowanietz

Großes Theater: Rolf Dieter Brinkmann gehörte ab 1956 zum Ensemble der Rhetorica Vechtensis, der traditionsreichen Theatergruppe des Gymnasium Antonianum. Foto: Chowanietz

1956 war der Schriftsteller Rolf Dieter Brinkmann noch zu jung für eine Bühnen-Rolle. Er war 16. Die Rhetorica Vechtensis, die altehrwürdige Theatergruppe des Gymnasium Antonianum, vergab Rollen seinerzeit erst ab 17. Brinkmann wurde Regieassistent. Die Rhetorica spielte Molières klassische Komödie „Der Geizige“. Ein Fünfakter mit viel Text in Prosaform.

Entwürfe des Bühnenbilds, Regieanweisungen, die Namen der Ensemblemitglieder inklusive der Aktiven im Hintergrund – alles haben die Mitglieder der Gruppe im Regiebuch festgehalten. Nach den Aufführungen blieb das Buch im Archiv der Schule, zuletzt in der Bibliothek. Lehrer Olaf Bröcker hatte es wiedergefunden.

Ein Stück Geschichte: Professor Markus Fauser und Schulleiterin Inge Wenzel werfen einen Blick in das Regiebuch der Rhetorica-Inszenierung aus dem Jahr 1956. Foto: ChowanietzEin Stück Geschichte: Professor Markus Fauser und Schulleiterin Inge Wenzel werfen einen Blick in das Regiebuch der Rhetorica-Inszenierung aus dem Jahr 1956. Foto: Chowanietz

Jetzt, gut 67 Jahre nach dem letzten Vorhang, hat es Uni-Professor Markus Fauser. Der Inhalt des Buchs wird Teil der Sammlung der im August gegründeten Kulturstiftung Rolf Dieter Brinkmann.

Ein überraschender Anruf aus Münster

Die Stiftung hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Nachlass des 1940 in Vechta geborenen Schriftsteller in seiner Heimatstadt wieder bekannter zu machen. Ein Schlüssel dafür: Brinkmanns geistigen Nachlass zu sammeln, zu erhalten und später der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Vechtas früherer Bürgermeister Uwe Bartels und der frühere Wernsing-Geschäftsführer Bernard Suding hatten als Initiatoren die Stiftungsgründung auf den Weg gebracht.

Für den Literaturwissenschaftler Fauser kommt jetzt vieles zusammen. Kurz nach der Gründung der Stiftung meldete sich bei ihm überraschend die Medizinerin Marlene Tilkorn aus Münster, aufgewachsen als Marlene Gr. Beilage in Vechta. Sie war bei der Molière-Inszenierung 1956 als Souffleuse dabei. Auch von ihr kommt Material: Fotos von Proben, ein Flyer mit den Unterschriften des gesamten Ensembles und eine Eintrittskarte. Die Rhetorica zog damals noch mit ihrem Stück über die Lande, spielte unter anderem in den Nachbarstädten.

Das Ensemble 1956: Es wird herumgealbert. Brinkmann ist in der hinteren Reihe der zweite von links. Foto: Privatsammlung Marlene Tilkorn
Über die Lande: Die Rhetorica machte auf ihrer Tour auf einem VW Käfer Werbung ihre AUfführungen. Foto: Privatsammlung Marlene Tilkorn
Die Schrift auf dem Einband des Regiebuchs ist inzwischen nicht mehr zu lesen. Im Innern ist es unversehrt. Foto: Chowanietz
Die Namen sicherheitshalber mit Bleistift: Das war das Rhetorica-Ensemble 1956. Foto: Chowanietz
So sah die Besetzungsliste schließlich im Flyer zum Stück aus. Foto: Chowanietz
Genau geplant: Das Regiebuch gibt einen EIndruck vom Bühnenbild der Inszenierung. Foto: Chowanietz
Klare Anweisungen: Notizen zum Originaltext. Foto: Chowanietz
Die Probentermine waren vorab festgelegt. Foto: Chowanietz
Während der Proben: Ein Teil des Molière-Ensembles. Brinkmann sitzt links außen. Foto: Privatsammlung Marlene Tilkorn
Die Rhetorica sorgt für Aufmerksamkeit: Das Foto dokumentiert das Aufeinandertreffen der Theatergruppe mit einem NDR-Team aus Oldenburg. Foto: Foto: Privatsammlung Marlene Tilkorn

Die Funde sind für Fauser weitere Bausteine der Sammlung. Brinkmanns Jugend in Vechta sei wichtig für seine Entwicklung als Schriftsteller gewesen, sagt Fauser. Das Bild werde mit jedem Fund vollständiger – wie mit der Sammlung aus dem Nachlass der Familie Neumann. Brinkmann hatte von Ende der 1950er Jahre bis kurz vor seinem Unfalltod 1975 Kontakt zu seinem ehemaligen Deutschlehrer am Gymnasium Antonianum, Georg Neumann, und dessen Sohn Andreas gehalten. Brinkmann schrieb ihnen lange Briefe.

Wer kannte Brinkmann?

Die heutige Leiterin des Gymnasium Antonianum, Inge Wenzel, unterstützt Fausers Arbeit. Sie gehört jetzt zum Vorstand der Brinkmann-Stiftung. Auch von ihr kommt ein Hinweis: Ein Plakat für die Molière-Inszenierung hängt noch immer im Flur vor der Aula des Antonianum – gerahmt, leuchtend rot, aber unauffällig neben anderen.

Heute wäre Brinkmann 83 Jahre alt. Für Fauser heißt das: Die Zeit spielt gegen ihn. Viele Menschen, mit denen Brinkmann aufgewachsen ist, seien bereits verstorben. Ihre Erinnerungen seien verloren. Die Funde und Nachlässe werden in den kommenden Jahren weniger werden.

Er habe Glück gehabt, dass er zuletzt noch relativ viele Angebote für Nachlässe bekommen habe, sagt der Uni-Professor.

Der Aufruf

Die Brinkmann-Kulturstiftung hat sich allerdings vorgenommen, möglichst auch die Erinnerungen an den Schriftsteller zu erhalten, die bisher niemand aufgeschrieben hat. Die Stiftung ruft deshalb dazu auf, sich beim Vorstand zu melden und von Brinkmann zu erzählen.

Der Vorstand der Brinkmann-Stiftung mit Beisitzern. Foto: ChowanietzDer Vorstand der Brinkmann-Stiftung mit Beisitzern. Foto: Chowanietz

Zum Vorstand gehören als Vorsitzender Jan Statkus, als Stellvertreter Professor Markus Fauser, Barbara Niemann, Silja Meerpohl, Inge Wenzel, Timo Schrand, Ulrich Suffner, Dr. Klaus Berding, Dr. Christa Kiene-Schockemöhle, Uwe Heider, die Initiatoren Uwe Bartels und Bernard Suding.

Info: Professor Markus Fauser ist per E-Mail unter markus.fauser@uni-vechta.de zu erreichen.

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