„Das Oldenburger Münsterland hat‘s mir total angetan“, sagt Dr. Barbara Grabkowsky. Die 45-Jährige leitet den Verbund Transformationsforschung agrar Niedersachsen (kurz: Trafo-Agrar) in Vechta. Seit rund 7 Jahren sind sie und ihr Team Ansprechstation für die hiesige Agrar- und Ernährungsbranche zum Thema Nachhaltigkeit. „In diesem Transformationsprozess die Region nach vorne zu bringen, das treibt mich an“, sagt Grabkowsky.
Als die Koordinierungsstelle 2017 ihre Arbeit aufnahm, gab es von den Akteurinnen und Akteuren aus der Branche allerdings nur sehr wenig Verständnis dafür, rekapituliert Grabkowsky. Das Bewusstsein für die Nachhaltigkeitstransformation sei seinerzeit noch nicht vorhanden gewesen, sagt sie. Das habe sich erst in den vergangenen 4 bis 5 Jahren herausgebildet. Heute seien Themen wie Tierwohl, Umwelt, Klima- und Naturschutz in der Gesellschaft sehr präsent. Auf der anderen Seite gebe es eine Landwirtschaft, die sich oftmals nicht mitgenommen fühlt. Das ergebe ein „komplexes Wirkungsgefüge“, sagt die promovierte Umweltwissenschaftlerin.
Nach der Promotion einige Jahre in der freien Wirtschaft tätig
Gerade das Oldenburger Münsterland ist stark landwirtschaftlich geprägt – das sind andere Regionen in Deutschland aber auch. Dennoch: „Das Agri-Business-Cluster hier ist einzigartig“, findet Grabkowsky und zählt auf: die starke Verzahnung von vor- und nachgelagerten Bereichen, die Zusammenarbeit wie auch der Zusammenhalt, die Bodenständigkeit, der Unternehmergeist – „ich finde das spannend“. Zudem schätzt sie die Werte der Region, wie die Disziplin, die Verbindlichkeit oder auch der Glaube „Die Werte haben mich eingenommen.“
Das Oldenburger Münsterland „ist für mich eine neue Heimat geworden“, sagt die gebürtige Hildesheimerin. 1998 zog es sie bereits für das Studium der Umweltwissenschaften nach Vechta. Nicht nur der kleine Uni-Standort habe sie gereizt, sondern vor allem der starke Agrar-Fokus im Studienfach. Bevor sie sich für Umweltwissenschaften entschied, stand auch noch ein Medizin-Studium zur Debatte. „Ich wollte etwas bewegen, wollte an einem Hebel ansetzen können“, nennt sie ihre Motivation.
Nach ihrem Studium und der Promotion in Vechta zog es Dr. Barbara Grabkowsky aber zunächst für einige Jahre in die Wirtschaft und in die Welt. Sie arbeitete in der Geflügelwirtschaft wie auch bei einem Pharmaunternehmen, das Medikamente und Impfstoffe für Haus- und Nutztiere herstellt. Sei sei international viel herumgekommen und habe viel gelernt, sagt sie. Doch das „Leben auf Flughäfen“ passte nicht zu ihrem Wunsch, die Familienplanung anzugehen. Deshalb zog es sie zurück ins Oldenburger Münsterland.
35 Millionen Euro an Fördergelder eingeworben
2016 kam ihre Tochter zur Welt, erzählt die Lohnerin. Nach der Elternzeit sah sie sich beruflich in der Nähe um und wie es der Zufall wollte, sei zu der Zeit gerade eine Stelle an der Universität Vechta ausgeschrieben gewesen. „Es war Glück, dass es passte“, sagt Grabkowsky. Zu Beginn bestand Trafo-Agrar lediglich aus zwei Personen. Mittlerweile ist das Team gewachsen und hat 12 Mitarbeitende.
Das Ziel von Trafo-Agrar ist seitdem, gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft den Nachhaltigkeitsprozess in der Agrar- und Ernährungsbranche voranzubringen. Da Grabkowsky sowohl die eine als auch die andere Seite dank ihrer eigenen Karriere kennt, könne sie Verständnis für beide Seiten schaffen und verschiedene Perspektiven einnehmen.
Der Verbund bemühe sich um Fördermittel „aus Brüssel, Berlin und Hannover“ und die Umsetzung der Projekte finde gemeinsam mit den Betroffenen statt „und nicht aus einem Elfenbeinturm heraus“, sagt Grabkowsky. In den vergangenen 7 Jahren seien rund 35 Millionen Euro an Fördergelder in die Region geflossen – „das ist ein Erfolg für sich“, findet Grabkowsky und „der Erfolg gibt uns Recht“.
Musste anfangs „dicke Bretter bohren“
Denn einfach war der Anfang von Trafo-Agrar nicht. Man sei anfangs „argwöhnisch beäugt worden“ und man habe „dicke Bretter bohren“ müssen, erinnert sich Grabkowsky. Gleichzeitig habe man von „führenden Köpfen der Region“ Offenheit erfahren und Raum erhalten, um zu wachsen. Das Bewusstsein, dass man sich ein „Weiter so“ nicht mehr leisten könne, musste erst geschaffen werden. Die Kunst ihrer Arbeit sei, Lösungsansätze zu finden, die Umweltschutz mehr Raum geben „ohne die Wirtschaftlichkeit zu kompromittieren“.
Sie und ihr Team konnten mit der Zeit das nötige Vertrauen gewinnen. „Das ist ein großes Geschenk“, sagt Grabkowsky. Man könne so die Region erfolgreich als „Modell-Region“ positionieren. Mittlerweile werde man europaweit für Projekte angefragt. Während die 45-Jährige über ihre Arbeit spricht, spürt man die Leidenschaft, die sie dafür mitbringt. „Es macht Spaß, die Akteure mitzunehmen“, sagt sie und „ich bin froh, mich für die Region einsetzen zu können“.
Wünscht sich mehr Förderung von Frauen
Mittlerweile begegnet man ihr auch auf Augenhöhe – wobei selbst das manchmal noch vom Gesprächspartner abhängt. Denn Dr. Barbara Grabkowsky bewegt sich in einer Männerdomäne. Die meiste Zeit zähle in der Zusammenarbeit ihre Kompetenz und ihre Leistung. Doch noch neulich habe jemand zu ihr gesagt, dass „sie als Frau“ ja trotz der Rahmenbedingungen gute Arbeit mache.
Damit wird wohl gemeint gewesen sein, dass Grabkowsky Mutter ist und Vollzeit arbeitet. „Ich liebe es, Mutter zu sein und ich liebe es, zu arbeiten“, sagt sie und gibt zu, dass sie sich viel Bestätigung aus ihrer Arbeit ziehe. Ihr ist die Wahrnehmung von arbeitenden Müttern in eher konservativen Kreisen bewusst. Jedoch hoffe sie, ihrer Tochter ein gutes Vorbild zu sein und gleichzeitig, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erfolgreich zu meistern.
Dabei möchte sie da selbst gar kein Leuchtturm sein, sondern sieht Gesellschaft und Politik in der Verantwortung, qualifizierte Frauen mehr zu fördern – indem etwa die Kinderbetreuung optimiert wird. Dr. Barbara Grabkowsky geht sowieso davon aus, dass der Wandel des gesellschaftlichen Bewusstseins zur Rolle der Frau eine Frage der Zeit ist – „da es gar nicht anders möglich sein wird“.
Ihr selbst ist die Förderung von Frauen beziehungsweise Müttern sehr wichtig. Ein starres Arbeitszeitenmodell passe da beispielsweise nicht mehr in den Arbeitsalltag. Grabkowsky beschäftigt überwiegend hoch qualifizierte Frauen, mehrere von ihnen haben Kinder. Die Leiterin von Trafo-Agrar legt viel Wert auf Kompatibilität im Team. „Man braucht ein eigenes, funktionierendes Ökosystem“, sagt sie. Frauen brächten oft entsprechende Socials Skills sowie die Fähigkeit, flexibler zu denken mit, weshalb Dr. Barbara Grabkowsky davon überzeugt ist: „Frauen machen Teams besser.“
Hintergrund:
- Die OM-Medien zeichnen 2024 zum dritten Mal eine Entscheiderin aus dem Oldenburger Münsterland, die in besonderer Weise die gesellschaftliche Entwicklung vorantreibt, mit dem Award „OM-Zukunftsmacherin“ aus.
- Unterstützt wird das Projekt OM-Zukunftsmacherin dabei von den Firmen Südbeck, Pöppelmann, Grimme, Bergmann, Wernsing, Zerhusen und der LzO.
- Gekürt wird die Preisträgerin von einer Jury. Ihr gehören Silvia Breher (CDU-Bundestagsabgeordnete, Lindern), Christine Grimme (Grimme Gruppe, Damme), Tanja Sprehe (Bereichsleiterin Marketing & Innovation, Pöppelmann, Lohne), Dr. Jutta Middendorf-Bergmann (Ludwig Bergmann GmbH, Goldenstedt) und Annette Vetter (Leiterin Bereich Personal, Landessparkasse zu Oldenburg) an. Für OM-Medien ist die stellvertretende Chefredakteurin Anke Hibbeler dabei.
- Die Auszeichnung findet am 23. Mai im OM-Medienhaus in Emstek statt. 2022 vergab unsere Jury den Award an Sarah Dhem aus Lastrup; 2023 an Marion Schouten aus Cloppenburg.
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