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Das Fallbeil im Arbeitsvertrag

Thema: Fachkräftemangel und Beschäftigung Älterer – In vielen Arbeitsverträgen steht derzeit noch, dass sie mit dem Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalters enden.

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Viele Arbeitnehmer sehnen sich den Ruhestand nur so herbei, wie der Erfolg der "Rente mit 63" zeigt. Sie können und wollen nicht mehr. Für andere aber ist der plötzliche Renteneintritt mit zur Zeit 66, demnächst 67 Jahren wie ein Fallbeil. Ein feuchter Händedruck, ein Blumenstrauß, das war's von einem Tag auf den anderen. Eigentlich hätten sie gern noch weitergemacht, wenigstens ein bisschen. Jetzt, wo so viele Fachkräfte fehlen, rückt diese Zielgruppe immer stärker in den Blick. In Berlin etwa lockt die Schulsenatorin mit Zuschlägen, falls Lehrer ihre Pensionierung etwas hinausschieben oder danach noch weitermachen.

Es gibt aber noch andere Stellschrauben als das Gehalt. An einer wurde schon gedreht: Bezieher vorgezogener Renten dürfen neuerdings so viel hinzuverdienen, wie sie wollen, ohne dass ihre Altersbezüge gekürzt werden. Das ist wichtig, denn es war abschreckend, dass sich die Zusatzarbeit nur beschränkt lohnte. Richtig war auch die Einführung der Flexi-Rente mit der Regelung, dass die Arbeit im höheren Alter zu weiteren Rentenpunkten führt.

Das Prinzip müsste umgedreht werden

Eine wichtige Stellschraube hingegen rostet vor sich hin: In vielen Arbeitsverträgen steht derzeit noch, dass sie mit dem Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalters enden. Das führt zu einem Automatismus, der flexible Lösungen erschwert. Richtig wäre es, das Prinzip umzudrehen. Also, dass das Arbeitsverhältnis auch nach dem Renteneintritt erst einmal weitergeht – wenn es nicht von einer Seite gekündigt wird.

Die Regierung hat sich laut Koalitionsvertrag vorgenommen, mit den Sozialpartnern in einen Dialog zu treten, damit "Wünsche nach einem längeren Verbleib im Arbeitsleben leichter verwirklicht werden können". Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat gerade an die Wirtschaft appelliert, stärker auf Senioren zu setzen. Und Christian Lindners FDP streitet schon lange für einen flexiblen Renteneintritt nach skandinavischem Vorbild. Der politische Wille ist also da. Jetzt gibt es auch eine Gelegenheit: Gerade werden die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst neu verhandelt. Sie enthalten sämtlich noch das alte Renten-Fallbeil. Würde das verändert, hätte das Vorbildwirkung für andere Branchen. Die Ampel sollte das Thema aufrufen.


Zur Person

  • Der Lohner Werner Kolhoff, 66, hat für den Berliner Tagesspiegel und die Berliner Zeitung gearbeitet, war Sprecher des Berliner Senats und leitete ein Korrespondentenbüro.
  • Heute ist er in der Hauptstadt als politischer Kolumnist tätig.
  • Sie erreichen ihn per E-Mail unter: redaktion@om-medien.de.

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