Junger Boxer sucht noch einen Gegner
Alexander Tretjakow aus der Ukraine boxt für FuS Cloppenburg und gilt als Favorit.
Bernd Götting | 18.02.2023
Alexander Tretjakow aus der Ukraine boxt für FuS Cloppenburg und gilt als Favorit.
Bernd Götting | 18.02.2023
Steht für gute Technik: Alexander Tretjakow wird am 4. März seinen Bezirksmeistertitel in der Halle am Cappelner Damm verteidigen. Foto: Götting
Für Trainer Wladimir „Wowa“ Sterlikow ist der junge Mann aus der Ukraine ein Glücksfall. Alexander Tretjakow kam im Mai 2022 als hochgradig ausgebildeter Boxer nach Deutschland. Nach dem Vermittlungsgespräch zweier Trainer aus der Ukraine bzw. aus Niedersachsen trat er kurz darauf dem Verein Freizeit und Sport Cloppenburg (FuS) bei. Schon im Juni holte er in der Alterklasse U16 den Bezirksmeistertitel für den FuS. Gleichzeitig zeichnete ihn Michael Bochardt vom Boxverband Weser-Ems mit dem Sonderpokal für gute Technik und Leistung aus. Am 4. März steht erneut die Bezirksmeisterschaft Weser-Ems in Cloppenburg an, und für Alexander Tretjakow die Titelverteidigung. Gäbe es da nicht ein Problem: Der 16jährige Mittelgewichtler hat noch keinen Gegner. Sterlikow sucht derzeit niedersachsenweit nach einem adäquaten Boxer, der es mit Tretjakow aufnehmen kann. Kein leichtes Unterfangen, denn der junge Ukrainer musste aufgrund seiner Qualitäten nicht einmal die Vorrunden zur Meisterschaft durchlaufen, sondern gilt schon jetzt als gesetzt. Dem Wettkampf sieht er trotz einer verstauchten linken Hand gelassen entgegen. „Ich trete auf alle Fälle an, ich hab ja noch eine zweite Hand“, sagt der junge Mann grinsend. Alexander Tretjakow flüchtete vor rund 9 Monaten gemeinsam mit seiner Mutter vor dem Krieg in der Ukraine. Kurz vorher hatten beide schon das früher florierende und dann brutal umkämpfte Mariupol in Richtung Westukraine verlassen müssen. Zu allem Übel konnte der Vater seinerzeit nicht ausreisen, da er in den Diensten der Armee stand und für diese Transport und Logistik leisten musste. Die Eltern des Boxers sind nun aber seit 3 Monaten wieder vereint und die Familie lebt gemeinsam in Rastede. Doch sie mussten viel zurücklassen: ihre Heimat, ihre berufliche Selbstständigkeit und sehr viele Angehörige, die inzwischen auf russisch besetztem Territorium leben und Tag für Tag leiden. „In der Ukraine ist das Bildungssystem etwas anders. Ich hatte schon vieles in der 8. Klasse, was hier erst in der 10. Klasse unterrichtet wird.“ Zum Glück für alle konnte sich die Familie in Rastede gut einleben und Alexander besucht die 10. Klasse des dortigen Gymnasiums. Bis auf die sprachlichen Fächer fällt es ihm recht leicht, an der Schule mitzukommen. „In der Ukraine ist das Bildungssystem etwas anders. Ich hatte schon vieles in der 8. Klasse, was hier erst in der 10. Klasse unterrichtet wird“, berichtet er. Das Abitur hat er sich zum Ziel gesetzt, zeigt sich aber bei dieser Frage etwas ungeduldig, weil es in der alten Heimat das Reifezeugnis schon nach der 11. Klasse gibt. Und danach Studium oder Boxprofi? Tretjakow winkt ab und stellt mit der Deutlichkeit eines Erwachsenen klar, dass er sehr konkrete Vorstellungen für seinen weiteren Werdegang hat. Ob mit oder ohne Abi, er möchte gerne praktisch arbeiten und professionelle Filme und Videos produzieren. Und für die sportliche Karriere hat er sich den Titel des Europameisters vorgenommen, wobei er sich durchaus im Klaren darüber ist, dass der Weg bis dahin über ein finanziell hartes Pflaster führen wird. Auf diesem Niveau lässt sich bekanntlich in Deutschland und Europa kaum Geld genug verdienen, um wirtschaftlich auf eigenen Beinen zu stehen. Doch mindestens genauso wichtig ist es für ihn, gemeinsam mit Vater und Mutter ein neues Leben in Deutschland aufzubauen. „Wir haben in der Ukraine alles verloren. Wir wollen hier bleiben, deutsche Staatsbürger werden und auf eigenen Beinen stehen. Dafür werden wir unser Bestes geben“, so der gut trainierte Sportler. Aktiver Boxer ist der hoch gewachsene Alexander Tretjakow bereits seit 11 Jahren. Schon als kleiner Junge hat ihm diese Sportart imponiert, weil sie ihn nicht nur körperlich forderte, sondern auch mental und psychisch stärkte. Boxen um des Boxens willen ist ihm zu wenig. Für alle Hobbyboxer hat er noch einen wichtigen Rat: „Macht keine halben Sachen. Zum Boxen gehört auch immer ein Ziel, das man sich setzen muss. Dann entwickelt man sich auch weiter“.
Die Tretjakows wollen sich in Deutschland ein neues Leben aufbauen
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