Steter Tropfen

Man muss nicht über jeden Stock springen, der einem hingehalten wird. Das gilt auch für die neueste Meldung in Sachen katholischer Sexualmoral.

Natürlich, wer erhofft hatte, der Vatikan erlaube die Segnung homosexueller Beziehungen mit einem Federstrich, muss enttäuscht sein über die Glaubenskongregation.

Doch so "tickt" Kirche nicht. Nur weil neben säkularen Medien auch eine gefühlte Mehrheit der europäischen Katholiken einen erheblichen Reformdruck spürt, wird Rom nicht alles über Bord werfen, was seit Jahrhunderten gepredigt wird.

Das bedeutet zugleich aber nicht, dass es sich nicht lohnt, mit dem Vatikan zu ringen. Der "Synodale Weg", den Bischöfe, Priester und Laien in Deutschland gemeinsam beschreiten, ist Teil dieses Ringens. Auch er wird keine Reform der katholischen Sexualmoral bewirken oder die Weihe von Priesterinnen – noch nicht. Seine Aufgabe ist es vielmehr, ein dickes Brett zu bohren. Also: Für notwendige Reformen durch gründliche Arbeit den Weg zu bahnen.

Die jetzige Erklärung ist auch Teil dieses Ringens, eine Reaktion des "traditionalistischen" Kirchenflügels auf die Reformbestrebungen. Das "Nein" gilt für den Moment, doch was 2035 sein wird, muss man abwarten. Steter Tropfen höhlt den Stein.

Derweil tut zuviel Aufregung um Rom nicht Not. Hierzulande werden viele Seelsorger weiterhin ihrer Berufung folgen und die ihnen anvertrauten Menschen segnen – mit oder ohne Erlaubnis des Vatikans. Egal ob Geistliche oder Laien: Die Katholiken in Deutschland wissen, dass ihr Glaube mehr ist als Sexualmoral – nämlich eine Botschaft der Freiheit.