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Kein Listenplatz, geringe Chancen: Waldemar Herdt tritt für die AfD an

Die Aktivitäten des AfD-Bundestagsabgeordneten aus Neuenkirchen dürften der Bundesregierung nicht immer gefallen haben. Kritiker bezeichnen ihn zudem als homophoben Corona-Leugner.

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Vor seinem Haus in Neuenkirchen: Waldemar Herdt. Foto: M. Niehues

Vor seinem Haus in Neuenkirchen: Waldemar Herdt. Foto: M. Niehues

Ein großes leuchtendes Kreuz auf blauem Grund nimmt einen großen Teil seines Flyers ein. "Christliche Identität bewahren!" steht daneben, darunter ist das Konterfei von Waldemar Herdt abgebildet – und das Logo der AfD. Seit einer Legislaturperiode sitzt der Neuenkirchen-Vördener im Bundestag. Jetzt tritt er erneut bei der Bundestagswahl am 26. September an. Für die AfD.

Herdt hat gerade erst dem russischen Staatsfernsehen ein Interview gegeben. Es ist nicht das erste Mal. Seine Meinung ist gefragt und seine Sicht auf Deutschland – vor allem, wenn er die Politik der Bundesregierung und die der Europäischen Union kritisiert. "Ich habe meine eigene Einstellung, die ist schwer manipulierbar", sagt er.

Auf der Rückseite des Flyers steht: "Deutschland ist die Heimat für mich und meine Familie, wo das Gotteswort gehört wird, wo die Liebe und der Frieden herrschen. Mit einer großen Begeisterung und Bewunderung für dieses Land und die Menschen, mit dem Glauben an Gott und das Volk."

1996 machte sich Herdt als Bauunternehmer selbstständig

Der Patriotismus und die Religiosität liegen in der Biografie des Kandidaten begründet. 1962 in Kasachstan geboren, kam Waldemar Herdt Mitte der 1990er Jahre als Spätaussiedler nach Deutschland. Der Agraringenieur arbeitetete hier zunächst als Futtermeister. Er machte sich 1996 als Bauunternehmer selbstständig.

Seit 2016 ist Herdt Mitglied im Gemeinderat Neuenkirchen-Vörden,  Mitglied im AfD-Kreisvostand Cloppenburg-Vechta und zog 2017 über die Landesliste der AfD Niedersachsen in den Bundestag ein.

Büro in Neuenkirchen: Von hier aus gibt Herdt auch dem russischen Staatsfernsehen Interviews und präsentiert seine Sicht auf Deutschland. Foto: M. NiehuesBüro in Neuenkirchen: Von hier aus gibt Herdt auch dem russischen Staatsfernsehen Interviews und präsentiert seine Sicht auf Deutschland. Foto: M. Niehues

Waldemar Herdt gehört der evangelischen Freikirche "Lebensquelle" in Osnabrück an. Er ist verheiratet und Vater von 4 Kindern. Seitdem er Bundestagsabgeordneter ist, ruhen seine Baugeschäfte. Dafür ist er fast immer auf Reisen.

Am Anfang habe er nicht geahnt, was auf ihn zukomme, erklärt er. Auf wenige AfD-Politiker seien viele Posten verteilt worden. So sei er Mitglied des Auswärtigen Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe geworden sowie vieler weiterer Ausschüsse und Arbeitskreise.

Viele Reisen ins Ausland, wenig Zeit für den Gemeinderat

Für das eigentliche Poltikgeschäft im Plenarsaal oder Ratssaal bleibt da anscheinend wenig Zeit: Kritiker werfen Herdt vor, dass er bei Gemeinderatssitzungen fast nie anwesend gewesen sei. Die Wähler störte das wenig: Der AfD-Politiker wurde am vergangenen Wochenende erneut in den Rat gewählt.

Auch im Bundestag fehlte Herdt bei mindestens 45 namentlichen Abstimmungen. Der Bundestagsabgeordnete räumt das auch ein. "Wegen der vielen Posten war das wie ein Marathon", sagt Herdt. "Ich war fast ständig unterwegs, vor allem im Ausland."

Dominantes Kreuz: Konservativ und christlich gibt sich Waldemar Herdt in seinem Werbeflyer zur Bundestagswahl. Foto: M. NiehuesDominantes Kreuz: Konservativ und christlich gibt sich Waldemar Herdt in seinem Werbeflyer zur Bundestagswahl. Foto: M. Niehues

Dabei dürfte manche Reise aus Sicht der Bundesregierung problematisch gewesen sein. Etwa, als der AfD-Mann aus dem Südkreis 2018 bei einem Wirtschaftskongress auf der Krim war. Zudem soll er sich mit dem dortigen ehemaligen Parlamentspräsidenten Wladimir Andrejewitsch Konstantinow getroffen haben, der auf den Sanktionslisten der EU und der USA steht. Und: Herdt kandidierte 2019 bei der Europawahl in Lettland für die dortige Zentrumspartei "Centra Partija". Er erhielt 0,5 Prozent der Stimmen. Die christlich-rechtspopulistische Partei macht die Migration für Terror und Kriminalität verantwortlich und will Kinder vor Genderpopaganda sexueller Minderheiten schützen.

Waldemar Herdt steht zu seinen Aktivitäten. Ziel sei es gewesen, der kleinen Partei zu mehr Gewicht und Autorität innerhalb des EU-Parlaments zu verhelfen. "Es wäre ein cleverer Schachzug gewesen, einen Ring von ideologisch gleich ausgerichteten Parteien innerhalb der EU aufzubauen", sagt Herdt. "Aber die AfD ist dafür noch nicht erwachsen genug." Seine Parteikollegen hätten sein Vorhaben nicht begriffen.

Ende August berichtete die Tagesschau über Herdts Netzwerk mit fundamentalistischen Christen

Und Waldemar Herdt hat noch Größeres vor. Wie die Tagesschau Ende August berichtete, hat der AfD-Bundestagsabgeordnete ein weltweites Netzwerk mit fundamentalistischen Christen aufgebaut. Auf mindestens 4 Kontinenten habe dieser Kontakte zu rechten Evangelikalen und homofeindlichen Aktivisten geknüpft, hieß es in dem Bericht.

Der Bundestagsabgeordnete bestreitet auch das nicht. Inhaltlich werde sein Engagement in dem Beitrag weitgehend richtig wiedergegeben. Er sei sogar in Syrien, Brasilien und Afghanistan gewesen. Zum einen gehe es ihm darum, die Flüchtlingskrise zu überwinden. Er suche Gespräche, damit Flüchtlinge im Umfeld ihrer Heimat bleiben könnten. Das sei preiswerter und effektiver, als diese in Deutschland aufzunehmen.

Was das Netzwerk betrifft, sieht er dies als weniger evangelikal an als geschildert. "Es ist mehr konservativ als religiös", betont Herdt. Bekämpfen möchte er aber die überbetonte Genderideologie. Jeder solle frei in der Entscheidung sein, wie er leben möchte. Dabei sei aber wichtig, dass keine Lebensform besonders hervorgehoben werde, fordert er.

Wer also homo- oder bisexuell veranlagt sei und diese Neigung ändern möchte, soll nach Vorstellung Herdts Anspruch auf ein seelsorgerisches Gespräch erhalten. Dieses Feld, so ist der AfD-Politiker überzeugt, dürfe nicht allein Psychologen überlassen werden. "Auch die Seele braucht Betreuung, um Heilung zu erfahren", sagt er und betont, nicht homophob zu sein. Aber er sei dagegen, dass eine homosexuelle Lebensweise favorisiert werde. Kinder gelte es davor zu schützen.

Kritik an Corona-Schutzimpfungen und der Politik der Regierung

Schützen will er zudem nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene vor Corona-Schutzimpfungen. "Das ist ein Experiment, wo die ganze Bevölkerung reingezogen wird", gibt sich Waldemar Herdt überzeugt. "Das ist Gift für die Kinder." Der Bundestagsabgeordnete hält die in Deutschland zugelassenen und empfohlenen Impfstoffe für zu wenig erforscht und behauptet, die Vakzine würden das Erbgut der geimpften Menschen verändern.

"Meine Frau, ich und meine Kinder hatten Corona", räumt er ein. "Die Corona-Maßnahmen haben die Wirtschaft kaputt gemacht", sagt er. Das sei nicht zu rechtfertigen gewesen. Die dafür ausgegebenen Milliarden hätte die Bundesregierung besser in das Gesundheitssystem investieren sollen. Er empfiehlt, Corona-Partys für Kinder durchzuführen, damit diese sich schnell anstecken. "Je schneller die sich immunisieren, desto besser", so Herdt.

Der Noch-Bundestagspolitiker dankt den Menschen aus Neuenkirchen-Vörden, dass "sie mich wiedergewählt haben". Er verspricht, dass seine Ratskollegen ihn künftig öfter sehen werden. Denn dass er dieses Mal erneut in den Bundestag einzieht, gilt als äußerst unwahrscheinlich: Nach den Flügelkämpfen der AfD auf Landesebene hat Waldemar Herdt keinen Listenplatz erhalten. Dass er gewählt werden könnte, bezeichnet er selbst als "Wunder". "Aber ich glaube an Wunder. Ich bin ja Christ."

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