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Immer auf die armen Beamten

Mit Vehemenz hat die Union den Vorschlag von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) zurückgewiesen. Die Begründung war schnell gefunden.

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Die Reaktion war kurz und heftig. Mit Vehemenz hat die Union (und aus dem Off auch die FDP) den Vorschlag der neuen Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) zurückgewiesen, auch die Beamten sollten in die Rentenkasse einzahlen. Die Begründung war schnell gefunden: Solchen Einzahlungen stünden später Ansprüche gegenüber. Sogar höhere als bei normalen Rentnern, denn Beamte gehen früher in den Ruhestand und leben länger. Die Rentenkassen hätten also durch die neuen Zahler nur eine vorübergehende Entlastung erfahren. Bas' Idee war und ist eine Milchmädchenrechnung. So lässt sich das Problem der steigenden Kosten durch die Überalterung nicht lösen. Der Beamtenbund kann aufhören zu hyperventilieren.

Eine andere Debatte wäre lohnender gewesen: Die über die Privilegien der Beamten an sich, die nicht die Renten- wohl aber die Staatskasse schwer belasten. Warum bekommen sie als Pensionäre 71,75 Prozent ihrer letzten Bezüge, warum nicht 48 Prozent wie die Durchschnittsrentner? Warum haben sie im Schnitt 3240 Euro im Monat (2023), die Rentner aber nur 1102 Euro? Haben sie so viel mehr geleistet? Warum zählen bei ihnen die Bezüge der letzten Jahre und nicht wie bei allen anderen, was sie im Laufe ihres Lebens verdient haben, inklusive Perioden in Teilzeit? Und: Warum werden es immer mehr Beamte? 1,9 Millionen sind es schon. Erfordert der Beruf des Lehrers oder der des Bibliothekars wirklich eine „besondere Treuepflicht“, die solche Privilegien rechtfertigt?

„85 Milliarden Euro gab der Staat 2023 für Pensionen, Beihilfen und Hinterbliebenenversorgung aus. Tendenz: Unaufhörlich steigend.“

Über eine weitere Begünstigung hat Bas gar nicht gesprochen: die Beihilfe im Gesundheitswesen. Beamte und Pensionäre bekommen bis zu 70 Prozent der Behandlungskosten vom Staat bezahlt, nicht von der Versicherung. Ihr privater Krankenkassenbeitrag ist entsprechend niedrig. Und sie bekommen eine Versorgung erster Klasse. Viele Ärzte verdienen mit dieser Klientel über höhere Kostensätze ihr eigentliches Geld. Arbeiter und Angestellte hingegen müssen auch als Rentner gut die Hälfte ihrer Krankenkassenbeiträge selbst tragen – und lange auf Praxistermine warten. 85 Milliarden Euro gab der Staat 2023 für Pensionen, Beihilfen und Hinterbliebenenversorgung aus. Tendenz: Unaufhörlich steigend.
Würde man an diese Privilegien herangehen, gäbe es viele Folgewirkungen, der Aufschrei der Betroffenen wäre groß. Es stellt sich die Frage, ob sich das politische Risiko lohnen würde.

Außerdem stimmt, dass im öffentlichen Dienst weniger verdient wird als zum Beispiel in der Industrie. Dass Beamte mehr Netto vom Brutto haben, weil sie nichts für die Rente zahlen müssen, gleicht das ebenso wenig aus wie die höhere Arbeitsplatzsicherheit. Der Staat müsste also für die monatlichen Bezüge mehr zahlen als jetzt, wenn er die Privilegien bei der Alters- und Gesundheitsversorgung beschneiden würde. Je mehr Privilegien er beschneidet, um so mehr müsste er beim Gehalt zulegen. Sonst fände er bald keine Bewerber mehr.

Ganz so viel, wie man denkt, wäre unter dem Strich also nicht einzusparen. Einige Milliarden Euro aber doch. Vor allem würde dem Gerechtigkeitsempfinden Genüge getan. Und langfristig der Boden bereitet, für eine Beendigung des Doppelsystems. Dass das nicht einmal ansatzweise versucht wird, auch nicht von Bärbel Bas, hat mit den Verkrustungen in Deutschland zu tun, mit der Reformunfähigkeit. Wer hat darüber im Wahlkampf übrigens am lautesten geklagt? Jawohl, Union und FDP.


Zur Person:

  • Der Lohner Werner Kolhoff hat für den Berliner Tagesspiegel und die Berliner Zeitung gearbeitet, war Sprecher des Senats und leitete ein Korrespondentenbüro.
  • Heute ist Kolhoff in Berlin als politischer Kolumnist tätig.

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