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Das Klammern an der Ampel

Thema: Der Lockdown geht in die Verlängerung - drei Farben sollen den Menschen eine Perspektive für Lockerungen ermöglichen. Nur: Das System ist zu schlicht um der komplizierten Lage Herr zu werden.

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Der Lockdown geht in die Verlängerung – mal wieder. Einzig die Friseure sollen früher wieder an die Arbeit gehen dürfen. Mit der zersausten Corona-Matte auf dem Kopf hört bei den Deutschen der Spaß nun einmal auf: Während der Coiffeur also mit Körperkontakt an seinen Kunden (und es werden sehr viele sein, sobald sich die Türen der Salons wieder öffnen!) herumschnippeln darf, schauen damit erstmal weiterhin Einzelhändler und Gastronomen weiter in die Röhre – egal, ob sie ein ausgefeiltes Hygienekonzept vorlegen können oder nicht. Kann man das verstehen? Nein.

Und auch die Perspektive, die Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerin allen anderen Berufsgruppen  jetzt servieren, ist schwer nachvollziehbar. Die Wege zur Öffnung enden ein weiteres Mal vor der Corona-Ampel. Das System wirkt so schön simpel: Steht die Ampel auf Rot, geht gar nix mehr. Und bei dieser Farbe wird es jetzt auch erstmal in den kommenden Wochen bleiben. Denn erst bei einer 7-Tagesinzidenz unter 35 – und nicht wie zuvor bei 50 – springt sie von Gelb nach ein paar Tagen auf Grün – vorausgesetzt, die Zahlen bleiben unten. Ein Blick auf die derzeitige Corona-Karte des Landes Niedersachsen zeigt: Die Anzahl der Landkreise, die diesen Anforderungen gerecht werden, lässt sich zurzeit an zwei Händen abzählen. Das Oldenburger Münsterland ist weit davon entfernt.

Noch sind keine Details bekannt, wie das Ganze in der Praxis funktionieren soll: Zählt der Inzidenzwert für das ganze Bundesland oder für die Kreise? So oder so: Das System ist zu einfach gestrickt für ein kompliziertes Infektionsgeschehen. Gilt der landesweite Messwert, bleibt auch in etwaigen Hotspots der Einzelhandel offen. Gilt die 7-Tagesinzidenz der Landkreise, ist der Shopping-Tourismus in die Nachbarschaft mit niedrigen Infektionszahlen vorprogrammiert. Schon jetzt ist im Oldenburger Münsterland sichtbar, wie deutlich die Zahlen in zwei Landkreisen voneinander abweichen können: In Cloppenburg sinken die Zahlen unter 100, der Kreis Vechta hat erst  am Mittwoch den 200er-Grenzwert überschritten.

Die nächste Frage: Wer soll den Shutdown bei einer roten Corona-Ampel beschließen? Sollte es den Landräten überlassen werden, werden die einmal mehr in eine unangenehme Rolle gezwungen. Freiheitsbeschränkende Maßnahmen von diesem Kaliber gehören zur Entscheidungsfindung nicht in ein Kreishaus. Sie müssen rechtlich begründet sein – und mit Verlaub: Das ist Sache der Landesregierung. Schließlich wird dieses System von den Ministerpräsidenten mitgetragen. Obendrein besteht die Gefahr, dass das vermeintlich sichere Stufensystem sofort aufgeweicht wird, damit eben nicht ein Landrat zu diesen Maßnahmen greifen muss. Exemplarische Argumentationslinie: Die Infektionszahlen sind nur deshalb so hoch, weil es ein lokal eingrenzbares Infektionsgeschehen gibt. So sind in der Vergangenheit bereits beschlossene Maßnahmen und Handlungs-Empfehlungen aus Hannover ad absurdum geführt worden.

Während die Bundesregierung und Infektiologen jetzt schon wegen der Virus-Mutanten vor einer 3. Welle warnen, ist der Politik offenbar keine neue Strategie eingefallen. Gefragt sind Alternativen zu einem Lockdown wie diesen. Zu fixiert wurde auf die Impfstoffe hingearbeitet, die ohne Frage ein wichtiger Baustein sind. Bei einer möglichst breiten und effektiven Teststrategie ist aber keine Entwicklung sichtbar. Vorsichtige Öffnungen und eigenverantwortliches Handeln sind möglich, wenn es sie geben würde: verpflichtende aber kostenfreie Tests. Ein Blick nach Österreich wäre da hilfreich. Mit diesen "Eintrittstests" könnten Dienstleister, Unternehmer und Wirte ihre Türen wieder öffnen.

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