Bürokratieabbau: Oft versprochen, selten geliefert
Die Ampel-Regierung hat sich vorgenommen, Bürger und Firmen von Bürokratie zu entlassen. An diesem Anspruch wird sie sich messen lassen müssen.
Ulrich Suffner | 15.04.2023
Die Ampel-Regierung hat sich vorgenommen, Bürger und Firmen von Bürokratie zu entlassen. An diesem Anspruch wird sie sich messen lassen müssen.
Ulrich Suffner | 15.04.2023
Generationen von Politikern haben sich schon am größten Problem unseres Landes, ach, ganz Europas vergeblich abgearbeitet: die Bürokratie. Sie wächst und wächst und hemmt einfach alles: wirtschaftliches Wachstum wie Klimaschutz, die Digitalisierung und die Mobilitätswende. Alles, was gerade schnell passieren müsste, geht nur langsam und zäh voran. Man lasse sich nicht blenden vom Deutschlandtempo-Gerede. Immerhin: Es gehört zum guten Ton einer jeden neuen Bundesregierung, den Bürokratieabbau auf die Agenda zu setzen. Auch die Ampel-Koalition zeigt guten Willen. Sie hat online Unternehmer, Arbeitnehmer, Freiberufler und Vereine gefragt, welche bürokratischen Monster sie nur allzu gerne erlegen würden. Aus den Antworten von 57 Verbänden hat das Justizministerium 442 Vorschläge zum Bürokratieabbau erstellt und in dieser Woche vorgestellt. Sie sollen die größten Hindernisse für Fortschritt beiseite schieben. Diese betreffen alle Lebensbereiche, von der amtlichen Behinderung des Baus von Mobilfunktürmen bis zu völlig unverständlichen Vergabeverfahren für Buslinien. Ein Reformvorschlag könnte tatsächlich für mehr Deutschlandtempo sorgen: Landwirtschaft und Industrie haben unisono vorgeschlagen, dass Behörden bitte nur noch 3 Monate Zeit haben sollen für die Nachforderung von Unterlagen. Denn schon die Prüfung von Antragsunterlagen dauert in manchen Amtsstuben bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, weil immer wieder stückweise Unterlagen nachgefordert werden. Denn nur 157 der 442 Vorschläge aus dem Justizministerium hält das ebenfalls beteiligte Statistische Bundesamt überhaupt für „potenziell geeignet“, um Bürokratie abzubauen. Das hat auch damit zu tun, dass deutsche Gesetze europäischem Recht unterliegen. Änderungen müssten also auf europäischer Ebene erfolgen. Das ist aber mühsam bis unmöglich, auch wenn auch diese Bundesregierung wieder verspricht, mit anderen Mitgliedstaaten, der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament eine „europäische Entbürokratisierungsinitiative“ zu starten. Die Älteren erinnern sich: Schon 2013 verordnete Edmund Stoiber als Sonderberater der EU-Komission europäischen Richtlinien vergeblich einen Bürokratie-Check. Geholfen hat das jahrelange ehrenamtliche Engagement des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten in Brüssel wenig. Zuletzt versuchte die EU-Kommission im Frühjahr 2021 die europäische Regelungswut mit dem Prinzip „One in, one out“ zu bändigen. Seitdem soll für jede neue Regulierung eine bestehende Belastung im gleichen Politikbereich entfallen. Dieser EU-Beschluss wird selbstverständlich nicht umgesetzt. Die Kollegen vom Handelsblatt haben Anfang des Jahres in der EU-Datenbank nachgezählt: Im Jahr 2022 setzte die EU 2000 neue Rechtsakte, während nur 534 wegfielen. In diesem Jahr will die EU-Kommission mit dem Prinzip „One in, one out“ nun aber wirklich Ernst machen. Ganz ehrlich. Die Bundesregierung hat wie ihre Vorgänger ein großes Bürokratieentlastungsgesetz versprochen. Die Erfahrung lehrt: Sehr wahrscheinlich wird es wieder nur ein kleines. Ach, würden den Worten doch endlich Taten folgen.Man mache sich keine allzu große Hoffnung: Viel wird sich nicht ändern.Ulrich Suffner, Chefredakteur OM-Medien
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