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Wunschzettel

Gästebuch: Die Zeit des Wünschens naht. Doch noch nicht einmal in Märchen werden alle Wünsche wahr. Trotzdem sind sie kostbar.

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Weihnachten naht. Haben Sie schon Ihren Wunschzettel geschrieben? Das ist gar nicht so
einfach mit dem richtigen Wünschen. Aber es soll helfen. Das steht jedenfalls im
Märchenbuch der Brüder Grimm. „In den alten Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat…“ – so beginnt das erste Märchen ihrer Sammlung, das vom Froschkönig. Ein zauberhafter Satz als Türöffner für ein ganzes Buch voller Wunder.

Aber stimmt das? Hilft Wünschen? Nicht unbedingt. Ich habe mir oft gewünscht, ein Instrument spielen zu können, aber der Wunsch war nie so stark, dass ich Unterricht genommen hätte. Und so hat er nicht geholfen. Auch würde ich gern noch einmal in Irland sein, aber nur durchs Wünschen komme ich nicht dahin, ich müsste es mir schon so sehr wünschen, dass ich die Reise auch plane. Keine Fee kommt vorbei, bei der ich drei Wünsche freihabe. Nicht im Leben, nicht einmal in den Märchen. Nein, Wünsche helfen nur, wenn sie so stark sind, dass sie uns in Bewegung setzen. Uns aufbrechen lassen. Uns verändern.

„Ver-Wünschen macht mich unglücklich. Richtiges Wünschen setzt mich in Bewegung. Und die für mich schönste Form des Wünschens ist das Segnen.“

So oft wie vom Wünschen erzählen Märchen auch vom Verwünschen. Ver-wünschen meint „falsch wünschen“, so wie ver-laufen in die falsche Richtung laufen meint. Manche, die meinen, ihr Leben wäre verwünscht, haben sich wohl selbst ver-wünscht. Es gibt zwei große Ver-Wünschungen, die garantiert unglücklich machen. Die eine lautet: „Ich muss perfekt sein.“ Nun, bei dem, was mir wichtig ist, möchte ich schon mein Bestes geben. Aber selbst das ist nicht perfekt – und muss es nicht sein. Der fast vergessene und auch missverständliche Begriff „Erbsünde“ meint genau das: Unvollkommenheit. Immer werde ich dem Leben etwas schuldig bleiben – und das Leben wird mir etwas schuldig bleiben. Und das ist ganz in Ordnung.

Eine zweite Ver-Wünschung ist genau das Gegenteil dieser Selbst-Überforderung: „Andere haben dafür zu sorgen, dass ich glücklich bin“. Die Eltern. Die Gesellschaft. Der Staat. Wer auch immer. Eine „regressive Fantasie“ nennt das die Psychologie. Leben wie ein Säugling, der gestillt wird. Rundum betreut. Abgefüttert. Unmündig. Kein Paradies, sondern wie das Schlaraffenland nur ein Maststall.

Ver-Wünschen macht mich unglücklich. Richtiges Wünschen setzt mich in Bewegung. Und die für mich schönste Form des Wünschens ist das Segnen. „Benedicere“, auf Lateinisch. Sagen und zeigen: Gut, dass es dich gibt. Ich wünsche dir alles Gute. Das steht ganz oben auf meinem weihnachtlichen Wunschzettel. Und dann, ja dann wünsche ich mir vielleicht noch eine Salzmühle.


Zur Person:

  • Heinrich Dickerhoff ist Akademiedirektor in Rente, Hausmann und arbeitet als freiberuflicher Dozent.
  • Er wohnt in Cloppenburg.
  • Den Autor erreichen Sie unter: redaktion@om-medien.de.

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