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Wir sind alle bekloppt geworden

Kolumne: Das Leben als Ernstfall – Ein Automatismus, der sich zumindest bei mir nicht aufhalten lässt: Ein Blick aufs Smartphone lässt in die Abgründe der Menschheit schauen.

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Ein Mann beim Zähneputzen, das Radio läuft: "Und hier die Nachrichten: Alle bekloppt geworden. Das Wetter ..." Dieser Cartoon von Ralph Ruthe hat sich in mein Gehirn gebrannt. Wenn ich mein Instagram Feed durchscrolle, muss ich daran denken. Was täglich der Fall ist – mehrfach. Es ist wie ein Automatismus, den ich nicht aufhalten kann: Meine Hand tastet nach dem Smartphone, mein Finger tippt auf dieses pink-orange Logo. Jedes Mal stürze ich mich aufs Neue ins Verderben. Im vollen Bewusstsein, dass mich nichts als Nonsens erwartet. Hält mich das davon ab, es wieder zu tun? Natürlich nicht. Selbstkontrolle ist mir ein Fremdwort. 

So ein Verhalten können wir bei uns Primaten des Öfteren beobachten. Dabei lässt sich Instagram wahlweise durch jegliche andere Social-Media-Plattform ersetzen. Hauptsache, es macht süchtig. Wer jünger ist als ich, scrollt sich wohl eher durch TikTok, wer älter ist als ich durch Facebook. Noch mal eine Generation darüber hat den WhatsApp-Status für sich entdeckt. Dort habe ich kürzlich ein Video gesehen, das ein Kollege geteilt hat. Ja, bei WhatsApp, aber was soll man machen, wenn man ganz Instagram leergeguckt hat?

Zumindest hat sich dieses Video nun genauso in mein Hirn gebrannt wie Ruthes Cartoon. Austin Archer (ein amerikanischer Content Creator, dem 1,2 Millionen Menschen bei TikTok folgen und den meisten Deutschen trotzdem oder gerade deswegen vollkommen unbekannt sein dürfte) hat es geschafft, in einem Lied auszudrücken, was ich so oft denke. "Congratulations, that was one of the stupidest things that I've ever seen anybody post on the internet before", lautet die erste Zeile. Heißt auf Deutsch so viel wie: Herzlichen Glückwunsch, das war eine der dümmsten Sachen, die ich jemals einen Menschen im Internet posten gesehen habe. Den Beat und die coolen Dance Moves muss man sich jetzt dazu denken.

„Es geht nicht darum, was für dumme Sachen die Menschen posten können – sondern darum, wie lange wir uns den Müll freiwillig reinziehen.“Fenja Hahn

Archer hat schon Recht: Wenn man denkt, dümmer wird nichts mehr, kommt von irgendwo ein neues Video her. Was genau das so an Kokolores ist? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht mehr, all der Unsinn danach hat mich den Inhalt vergessen lassen. Es wird wohl auch jeder was anderes für dumm erklären. Das Gefühl, sich ständig an den Kopf fassen zu müssen, bleibt das Gleiche. "Genug Internet für heute" ist zu einem geflügelten Wort und Beschreibung vieler Memes geworden.

Das scheint wohl die eigentliche Sozialstudie bei dem Umgang mit dem Internet zu sein. Es geht nicht darum, was für dumme Sachen die Menschen posten können – sondern darum, wie lange wir uns den Müll freiwillig reinziehen. Ich für meinen Teil kann sagen: Während ich eine Kolumne über die Tücken der sozialen Medien geschrieben habe, habe ich nebenbei etwa siebenmal Instagram geöffnet. Tja, wir sind verloren, alle bekloppt geworden. 


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