Mein Mann und ich haben ein gemeinsames Hobby: Sport. Tanzen, um genau zu sein. Vor anderen Leuten erzählt er gerne, ich hätte ihm vor knapp 9 Jahren die geladene Pistole mit herausfordernder Miene auf die Brust gesetzt, um ihn in die Tanzschule zu bekommen. Was natürlich ganz und gar nicht stimmt! Ich hatte ihm lediglich die erste Tanzstunde im 25 Kilometer weit entfernten Cloppenburg als eine Art Überraschungs-Ausflug zum Hochzeitstag verkauft. Und ihm natürlich die Wahl gelassen, es auszuprobieren oder eben nicht. Ich hatte Glück: Zwar tief seufzend, aber er gab nach. War ja der Hochzeitstag… Seitdem haben wir vom Anfänger-Kursus bis hin zum „Gold-Star“ alle Abzeichen abgearbeitet, Zehen blau getreten und Schuhpaare „zertanzt“.
Wissenschaftler sind überzeugt, dass Tanzen gesund, glücklich und sogar intelligent machen soll. Obendrein soll es die Bildung neuer Nervenzellen bis ins hohe Alter unterstützen und damit das Risiko, an Demenz zu erkranken, um etwa 20 Prozent senken. Die regelmäßige Bewegung im Rhythmus der Musik soll das Fortschreiten einer Demenz sogar aufhalten können. Außerdem soll Tanzen die Muskulatur lockern und Verspannungen lösen können, das Kortisol im Blut senken und damit von Stress befreien. Naja, anfangs gab es anstelle von gespannter Körperhaltung schon mal Nackenstarre, wenn sich einer im Recht wähnte, dass sich der andere nicht nur im falschen Takt, sondern auch ganz sicher auf dem Holzweg bewegt.
„Wem will man denn weismachen, dass nach 27 Jahren Beziehung in Momenten wie einer neuen Tango-Schrittfolge immer eitel Sonnenschein herrscht?“
Im Laufe der Kurse haben wir gelernt, dass ein „Bleib ruhig, wir kriegen das schon hin“ eher das Gegenteil bewirkt, sich selbst zu hinterfragen, hilfreich, und sich in Zurückhaltung zu üben, anstrengend sein kann. Gemeinsam und kontinuierlich auf etwas hinzuarbeiten, auch wenn die Laune mal gen Keller sinkt, muss man schon wollen. Denn beim Tanzen kann man sich wohl im Weg stehen, aber nicht aus dem Weg gehen. Und wem will man denn weismachen, dass nach 27 Jahren Beziehung in Momenten wie einer neuen Tango-Schrittfolge immer eitel Sonnenschein herrscht?
Nach einer der ersten Tanzstunden habe ich einmal im Rückspiegel mit angesehen, wie sich ein Paar im Auto hinter uns gegenseitig regelrecht auseinandernahm, die wütende bis abfällige Gestik und Mimik beiderseits ließ nichts Gutes verheißen. Sie tauchten beim nächsten Mal auch nicht mehr auf.
Wenn es mal wieder so gar nicht rundlaufen will und wir befürchten, der Schwarze Gürtel im langsamen Walzer ist uns sicher: Eine ordentliche Portion Humor hat uns immer geholfen. Spaß an gemeinsam verbrachter Zeit und der sportliche Aspekt sollen schließlich an erster Stelle stehen. Auf die Tanzstunden am Sonntag verzichte ich nur ungern. Komme, was wolle, die Tanzschuhe werden angezogen. Mein Mann hat dafür natürlich den passenden Spruch parat: „Wenn ich zum Tanzen geh’, tut mir mein Bein nicht weh.“
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