Vortragsabend in Vechta: Die Georgsritter suchen das Glück
Dr. Marc Röbel lädt seine Zuhörer mit seinem Vortrag zum Nachdenken über das gute Leben ein. Dabei begibt er sich nicht nur zu den Philosophen der Antike.
Philipp Ebert | 17.04.2023
Dr. Marc Röbel lädt seine Zuhörer mit seinem Vortrag zum Nachdenken über das gute Leben ein. Dabei begibt er sich nicht nur zu den Philosophen der Antike.
Philipp Ebert | 17.04.2023
„Was ist das gute Leben, was bringt Glück?“: Philosoph und Pfarrer Dr. Marc Röbel ging dieser Frage bei einem vom St. Georgsverein zu Vechta organisierten Vortragsabend nach. Foto: Ebert
Gute Fragen sind einfach gestellt, aber ungleich schwieriger beantwortet. Eine der Fragen, die die Menschheit seit jeher bewegt: Was ist das gute Leben, was bringt Glück? Diese Fragen standen im Mittelpunkt eines leichtfüßig-vergnüglichen Vortragabends, den der St. Georgsverein zu Vechta kürzlich im Golfclub in Welpe veranstaltet hat. Redner war der im Oldenburger Münsterland bekannte Philosoph und Pfarrer Dr. Marc Röbel, Leiter der Katholischen Akademie Stapelfeld und des St. Antoniushauses in Vechta. Heute werde man überflutet von Glücksratgebern, zeigte sich Röbel überzeugt. Er selbst erzeugte eine historische Tiefenperspektive, um den gut 40 Zuhörerinnen und Zuhörern Zugänge zum Glück anbieten zu können. Den Anfang machte die griechische Antike. Unter Verweis auf eines der bekanntesten Gemälde des italienischen Renaissancemalers Raffael, das im Vatikan befindliche „Die Schule von Athen“, führte Röbel den Unterschied zwischen dem Philosophen Platon und seinem Schüler Aristoteles aus. Platon, der auf dem Gemälde gen Himmel zeigt, wähnt das ganz große Glück in der Welt der Ideen. Aristoteles hingegen, nach unten zeigend, verortet das Glück „auf dem Boden der Tatsachen“, wie Röbel sagte. „Glück ist Arbeit“ für Aristoteles, „glücklich wirst du, wenn du etwas tust und dich hingibst“, führte Marc Röbel – einen Hammer schwingend – aus. Ebenso zentral im Denken des Aristoteles: Für das Glück brauche der Mensch ein Gegenüber, denn er ist ein soziales Wesen. Ganz anders die antiken Stoiker, so Röbel, die Irritationen – modern gesprochen – mit der Methode „einatmen, ausatmen, wegatmen“ behandeln wollten. Ihr Credo sei gewesen: Mach dich los von den Gefühlen, stehe über den Dingen. Und die Epikurer? Für sie war die Lust – in Maßen genossen – der „Gipfel des Glücks“, erläuterte Röbel. Zeitsprung: Mit dem deutschen Philosophen und Soziologen Georg Simmel (1858 bis 1918) konstatierte Röbel, dass spätestens in der Industriemoderne jedenfalls vordergründig alles einen Preis bekommen habe, alles vergleichbar geworden sei. Und doch hielt Simmel fest: „Leben ist immer mehr Leben“, so Röbel; alles Leben wolle sich ausbreiten, anhäufen, fortpflanzen. „Aber gutes Leben ist mehr als Leben“, so Röbel weiter; deshalb gehörten für Simmel neben dem Notwendigen Dinge wie Kultur, Politik, gute Abendgespräche zum guten Leben. Wer im Publikum die französische Philosophin und Revolutionärin Simone Weil (1909 bis 1943) noch nicht kannte, lernte sie jetzt durch Marc Röbel kennen. Die in einer großbürgerlichen säkularen jüdischen Familie in Paris aufgewachsene Weil war politisch und gesellschaftlich stark engagiert. Ihren Kampf für soziale Reformen führte sie nicht nur vom Schreibtisch aus; stattdessen trat sie selbst, die es wirtschaftlich nicht nötig gehabt hätte, in den strapaziösen Fabrikdienst ein. In Assisi, dem Ort des Heiligen Franziskus, fühlte die Agnostikerin sich laut Marc Röbel in die Knie gezwungen. Die viel zu früh an Tuberkulose gestorbene Frau fühlte sich zunehmend zum Christentum hingezogen; auch, weil das Christentum (wie Weil wohl mit Blick auf die Situation der Arbeiterklasse schrieb) „die Religion der Sklaven“ sei und diese nicht anders könnten, als ihm anzuhängen. Getauft wurde sie vermutlich dennoch nie. Auf der Suche nach dem Glück blieb Simone Weil, so Marc Röbel, gleichsam auf der Kirchenschwelle stehen. Bleibt noch ein Blick auf Hannah Arendt (1906 bis 1975), auch aus einer säkularen jüdischen Familie stammend. Als die aus Deutschland in die USA geflohene Philosophin nach dem Krieg während eines Besuchs in München Georg Friedrich Händels Oratorium „Messias“ hörte, zeigte sie sich laut Röbel angetan von der Zeile: „Ein Kind ist uns geboren.“ Für Arendt wurde darin der Impuls des „Du kannst immer wieder neu anfangen“ sichtbar, der dem Christentum eingeschrieben sei. Zum neuen Anfang, resümierte Röbel zum Schluss seines eleganten einstündigen Vortrages, gehöre vielfach auch das Verzeihen – und der Versuch, sich von (scheinbar) Unverzeihlichem nicht vergiften zu lassen. Marc Röbel hielt noch eine Schlussanekdote bereit: Die unreligiöse Hannah Arendt schrieb demnach seinerzeit nach der Anrührung durch die Händel-Aufführung an Ihren Mann, das Christentum „war gar nicht so ohne“. Mit Blick auf die Möglichkeit des Neuanfangs waren sich die Georgsritter und der Philosoph Röbel einig, dass Hannah Arendt zuzustimmen sei – mit einer kleinen österlichen Korrektur: Das Christentum als Weg zum Glück ist kein Ding der Vergangenheit, sondern lebendig wie eh und je.Für Simmel gehörten auch gute Abendgespräche zum guten Leben
Zum neuen Anfang gehört vielfach auch das Verzeihen
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