Von Großeltern und Enkeln
Kolumne: Auf ein Wort – Beziehungen zwischen Großeltern, Eltern und Enkeln müssen gepflegt werden. Und wenn es gut läuft, ist es ein Vorbild für die Gesellschaft.
Jörg Schlüter | 27.06.2023
Kolumne: Auf ein Wort – Beziehungen zwischen Großeltern, Eltern und Enkeln müssen gepflegt werden. Und wenn es gut läuft, ist es ein Vorbild für die Gesellschaft.
Jörg Schlüter | 27.06.2023
Meine Frau schaute mich nach dem Lesen dieser Kolumne an: „Jörg, wenn du in der Tageszeitung von unserer Familie erzählst, dann hört sich das oft so an, als gäbe es bei uns keine Probleme. Pure Harmonie.“ Puh. Also, ehrlich, auch bei uns gibt es Missverständnisse, Enttäuschungen, Wut und Tränen! Aber davon möchte ich nicht berichten, denn schlechte Nachrichten gibt es reichlich. Auf jeden Fall weiß ich, dass ich nicht der perfekte Großvater bin. Aber ich bin ein anderer Großvater, als mein Vater es mit unseren Kindern war und mein Großvater mit mir und meinen Geschwistern. Die Tradition der vergangenen Generationen beruhte – jedenfalls bei uns – auf Autorität. Ich höre noch die Worte meines Vaters: „Du darfst reden, wenn du gefragt wirst, ansonsten halt den Mund.“ Diese „Pädagogik“ hat sich grundlegend geändert. Zwischen unseren Kindern und Enkeln findet oft ein so reger Austausch statt, dass ich manches Mal kaum dazwischen komme. Von wegen: „Vor ergrautem Haar sollst du aufstehen und einen Alten sollst du ehren.“ (3 .Mose 19,32) Kinder und Enkelkinder sind kostbar! – deshalb kosten sie auch Kraft. Es kann durchaus sein, dass meine Frau und ich uns an einem Enkel-Wochenende anschauen und in den Augen des anderen auch die Sehnsucht nach Ruhe lesen. Dann atmen wir tief durch und nicken uns aufmunternd zu, das gibt neue Energie. Wir wissen: Wenn wir unsere Kräfte nicht in die Beziehung zu unseren Kindern und Enkeln stecken, dann werden diese Beziehungen zwar nicht gleich in die Brüche gehen, aber vielleicht langsam zerbröseln, und das wollen wir nicht. Der schönste Lohn für unseren Einsatz ist, dass unsere Enkelkinder „Hurra“ rufen, wenn unsere Kinder sagen: „Wir fahren zu Oma und Opa nach Vechta.“ Gegenseitige Besuche sind unsere Beziehungsbrücke. Beziehung aber baut sich nun einmal nicht von allein. Jeder muss seinen Teil dazu geben, wenn Beziehung gelingen soll. Wie großartig Familie sein kann, haben wir wieder einmal vor 10 Tagen erfahren, ein Familientag (Wochenende in der Südheide) der Familie meiner Frau. Sie waren neun Kinder, von denen noch fünf leben, meine Frau ist die Jüngste. Es konnten längst nicht alle teilnehmen, man hat ja so seine Verpflichtungen und doch waren wir etwa 50 Personen. Die Jüngsten gut 8 Monate alt, der Älteste 88 Jahre. Es war gigantisch! Gespräche bis tief in die Nacht, die Kinder, die miteinander gespielt haben, als würden sie sich jeden Tag sehen. Eine Atmosphäre des Wohlwollens und der Liebenswürdigkeit. Ein Fest. Ich weiß, man kann nicht zu jedem Menschen eine tiefe Beziehung aufbauen. Aber wenn wir, ein jeder in seiner Umgebung, mehr wie „Familie leben“ würden, Beziehungsbrücken bauten, ob das die Welt, wenigstens punktuell, ein klein wenig inniger machen würde?"Es kann durchaus sein, dass meine Frau und ich uns an einem Enkel-Wochenende anschauen und in den Augen des anderen auch die Sehnsucht nach Ruhe lesen."Jörg Schlüter
Man kann nicht zu jedem Menschen eine tiefe Beziehung aufbauen
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